DiCaprio in "The Revenant" Maskuliner Überlebenskampf

Weiter hätte sich Alejandro Gonzales Iñárritu von seinem Oscar-Triumph "Birdman" nicht entfernen können: Aus der Enge eines New Yorker Theaters und seiner neurotischen Angestellten hinein in die nordamerikanische Wildnis des frühen 19. Jahrhunderts, wo echte Kerle im Pionier-Modus nicht nur gegen die Unbilden der Natur, sondern auch gegen feindlich gesonnene "natives" und die Konkurrenz aus den eigenen Reihen kämpfen.

 Dickes Fell: Leonardo DiCaprio spielt in dem Western "The Revenant" den Trapper Hugh Glass.

Dickes Fell: Leonardo DiCaprio spielt in dem Western "The Revenant" den Trapper Hugh Glass.

Foto: 20th Century Fox

Einer von ihnen ist Hugh Glass (Leonardo DiCaprio). Seine Geschichte gehört zu den beliebten Lagerfeuer-Mythen der amerikanischen Folklore, hat der Mann nicht nur den Angriff eines Bären und seine vorzeitige Beerdigung überlebt, sondern den halb zerfetzten Körper durch Hunderte Kilometer Wildnis zurück in die sogenannte Zivilisation geschleppt. Im Digital-Zeitalter staunt man ja immer seltener im Kino. Die Frage "Wie haben die das nur gemacht?" stellt sich angesichts des ausgebufften Pixelhandwerks kaum noch einer. Aber so etwas wie den Angriff des Bären, den Iñárritu in "The Revenant" mit atemberaubenden Naturalismus orchestriert, hat man so auf der Leinwand noch nie gesehen. Wenn das Riesentier von hinten angerannt kommt und einen der bestbezahltesten Schauspieler Hollywoods niederreißt, umherschleudert und mit seinen scharfen Krallen zerfetzt, verschlägt es auch den abgebrühtesten Kinogängern den Atem.

Mit dem Angriff des übermächtigen Tieres hat der Film sein Thema gefunden. Denn in "The Revenant" geht es mehr oder minder 156 Filmminuten lang ums nackte Überleben. Halbtot wird Glass von seinem Expeditionstrupp im Wald aufgefunden. Die Männer haben sich in die Wildnis vorgearbeitet, um zu jagen. Der Pelzhandel ist in der jungen amerikanischen Wirtschaft ein wichtiger Faktor. Das Wild wird massenweise erlegt, womit den Eingeborenen ihre Lebensgrundlage entzogen wird. Indianerüberfälle sind hier an der Tagesordnung, genauso wie systematische Massaker an den Ureinwohnern durch die US-Armee.

Glass hat lange mit den Indianern zusammengelebt, bis seine Frau bei einem Armeeüberfall ermordet wurde. Mit ihrem gemeinsamen Sohn hat er sich in den Dienst der Pelzjäger gestellt und die Männer sind nicht gut auf das "Halbblut" zu sprechen. Als Glass nach dem Angriff des Bären schwer verletzt im Lager liegt, muss er wehrlos mit ansehen, wie sein Sohn von dem niederträchtigen John Fitzgerald (Tom Hardy) ermordet wird. Die Leiche des Jungen bleibt im Wald liegen, der halbtote Vater wird lebendig begraben. Aber Glass gibt nicht auf und arbeitet sich allen medizinischen, meteorologischen und kriegerischen Widrigkeiten zum Trotz durch die winterliche Wildnis, um Rache zu nehmen.

Jeder kann sich vorstellen, wie ein Leonardo DiCaprio die Rolle eines solchen Durchbeißers ohne jegliches Understatement spielt. Das setzt auf eine mehr als zweieinhalbstündige Filmlänge durchaus Ermüdungserscheinungen beim Publikum frei, zumal der Film nicht aufhört seinen Helden immer neuen Gefahrensituationen und Schindereien auszusetzen. Iñárritu badet förmlich in diesem maskulinen Überlebenskampf und inszeniert ihn auf eine sehr körperliche Weise. Schweiß, Dreck, Wunden, Blut und der Verzehr von rohem Fleisch werden auf sehr haptische Weise ins Bild gesetzt. Der Testosteronüberschuss, der hier im Kampf der wilden Kerle generiert wird, ist ebenso gewaltig, wie die epische Survival-Story in ihrer Grundaussage recht überschaubar bleibt.

Trotzdem muss man Iñárritu zugute halten, dass er mit "The Revenant" einen äußerst eindrücklichen Western geschaffen hat, der sich allen Glorifizierungen von Pionierleben und Eroberungskriegen strikt verweigert. Dazu gehört auch eine gewisse Ehrfurcht gegenüber der Schönheit und den Gefahren der Natur, die Malick-Kameramann Emmanuel Lubezki in seinen stimmungsvollen Landschaftsaufnahmen vermittelt.

Ab heute: Woki, Sternlichtspiele und Kinopolis.

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