Kölner Staatenhaus Martin Grubinger spielte Kompositionen von Rihm und Xenakis

KÖLN · Wenn Martin Grubinger kommt, wird die sonst häufig als elitär empfundene neue Musik plötzlich zum massentauglichen Ereignis. Das war 2010 in Bonn so, als er beim Beethovenfest in der ausverkauften Beethovenhalle einen kompletten Abend dem 2001 verstorbenen Komponisten Iannis Xenakis widmete, und nun beim Kölner Acht-Brücken-Festival auch wieder.

Hier gastierte er im sehr gut besuchten Staatenhaus im Rheinpark. Ein Schlüssel zu Grubingers Erfolg ist der Charme, seine sympathische und humorvolle Art, mit der er in Dialog mit seinen Zuhörern tritt.

Insgesamt drei Werke von Iannis Xenakis, dessen Musik sich das Acht-Brücken-Festival in diesem Jahr verschrieben hat, waren an diesem Abend einer Komposition von Wolfgang Rihm gegenübergestellt. Grubinger begann mit dem ursprünglich für drei westafrikanische Djémbe-Trommeln geschriebenen Stück "Okho", das er selbst für Schlagzeug bearbeitete.

Wolfgang Rihm kennt man eigentlich eher als Meister des sinfonischen Apparates. In dem 40-minütigen "Tutuguri VI" widmet er sich jedoch einmal ausführlich dem Schlagwerk, wenn auch nicht ganz puristisch - einige vokale Tonbandzuspieler sind dazu geeignet, Klang und Ausdruck noch zu erweitern.

Rihms Komposition geht auf Texte des französischen Dichters Antonin Artaud zurück, der berühmt dafür wurde, den Begriff "Theater der Grausamkeit" geprägt zu haben. In "Tutuguri" hatte Artuads "Schluss mit dem Gottesgericht" Rihm zu einer regelrechten Sinfonie für Schlagwerk inspiriert. Anders als bei Xenakis überwältigen hier weniger die Rhythmen, sondern vor allem der Klang und dessen musikalische Expressivität, den die bis zu sechs Schlagzeuger an ihren Instrumenten-Batterien erzeugen.

Um die vielschichtigen Rhythmen zu koordinieren, hätten sie Stöpsel im Ohr, erläuterte Grubinger, um die sogenannten Click Tracks zu empfangen, die ihnen per Funk zugespielt würden. Bei den Click Tracks handelt es sich im Grunde um eine Art High-Tech-Metronom, das einen Dirigenten ersetzt. Das Ergebnis war unglaublich.

Das kann man von Xenakis' "Kassandra" für Bariton mit Psalterium und Schlagzeug nicht so ohne Weiteres sagen. Bariton Georg Nigl hatte die schwierige Aufgabe auf sich genommen, die beiden auf einen Sänger vereinten Rollen zu übernehmen: Den Chorführer in Bariton-Lage und die Kassandra mit hoher Kopfstimme. Die eher an fernöstliche Kulturen erinnernde, virtuose Gesangsdarbietung wirkte allerdings recht spannungslos.

Hochspannung herrschte dann bei dem grandiosen Schlagzeugwerk "Persephassa". Wenn die unterschiedlichen Rhythmen der sechs um das Publikum herum verteilten Schlagzeug-Batterien in streckenweise extremer Lautstärke auf die Zuhörer treffen, wird das zu einer echten Abenteuerreise für die Ohren: die Verschiebungen der komplexen Rhythmen, die Vielfalt der Klänge und Farben, die Virtuosität der sechs Spieler und das Raumerlebnis machen Persephassa zu einem beeindruckenden Erlebnis. Eine Zugabe spielte man nach diesem langen Konzert nicht. Grubinger gab dafür eine plausible Erklärung: "Wir sind platt!"

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