Kunstvereins-Jubiläum Margarethe Jochimsen, Annelie Pohlen und Christina Végh reden über Kunst und Feminismus

BONN · Wenn Georg Baselitz im Jahr 2013 in einem Spiegel-Interview behauptet, dass "Frauen nicht so gut malen, das ist ein Fakt", reibt sich manche Frau (und mancher Mann) verwundert die Augen. Kann die Äußerung als polternde Provokation eines reaktionären Egomanen abgetan werden, oder steckt doch mehr dahinter?

 Drei starke Frauen im Kunstverein: Annelie Pohlen, Christina Végh und Margarethe Jochimsen (von links).

Drei starke Frauen im Kunstverein: Annelie Pohlen, Christina Végh und Margarethe Jochimsen (von links).

Foto: Schoenebeck

Wie stellt sich die Situation von Künstlerinnen im heutigen Kunstmarkt dar, wenn ihnen auf offener Bühne der Platz verweigert wird? Eine Frage, die sich auch in der 50 Jahre umfassenden Geschichte des Bonner Kunstvereins immer wieder gestellt hat. Der Verein, der an diesem Sonntag Jubiläum feiert, hat diese Themen gewendet, im Symposium "Kunst & Feminismus" und in einem Gipfeltreffen der drei Kunstvereins-Leiterinnen, die die Institution in den vergangenen 50 Jahren geführt haben: Margarethe Jochimsen, Annelie Pohlen und die aktuelle Chefin Christina Végh diskutierten über die Frage, ob und inwiefern die Situation von Künstlerinnen und Kuratorinnen heute eine andere ist als vor einem halben Jahrhundert.

Einigkeit besteht darüber, dass zwar einiges erreicht worden ist, aber "ausgestanden" sei das Thema mit Sicherheit nicht. Als Margarethe Jochimsen Mitte der 70er Jahre zum Kunstverein kam und gemeinsam mit der Bonner Galeristin Philomene Magers die erste Ausstellungsidee zur feministischen Kunst entwickelte, war die Zahl der Künstlerinnen in großen Ausstellungen oder öffentlichen Sammlungen "skandalös gering".

Auch die 80er Jahre waren keineswegs besser, wie Jochimsen in einem Ausstellungskatalog dokumentierte. "In der Ausstellung ?Zeitgeist? von 1982 gab es 150 Künstler und eine Künstlerin. Im Bonner Kanzleramt hingen Bilder von 60 Künstlern und ein Werk von Käthe Kollwitz." Für Jochimsen "Stoff genug, um aufmüpfig zu werden".

Die Strategie des Kunstvereins sei es von Anfang an gewesen, die Arbeiten von Künstlerinnen nicht isoliert unter feministischen Aspekten zu zeigen, sondern sie in Ausstellungen gemeinsam mit männlichen Kollegen ernst zu nehmen und "hochzuziehen". "Das hat uns davor bewahrt, in eine Ecke gestellt zu werden."

Auch für ihre Nachfolgerin Annelie Pohlen erschien die damalige Tendenz, dass Frauen häufig unter sich blieben und Männer vom feministischen Diskurs ausschlossen, wenig sinnvoll. "Ich habe viele Ausstellungen mit Frauen gemacht, aber nie nach dem quantitativen Prinzip." Man habe sich dauernd dafür rechtfertigen müssen, dass man als Frau genau das tat, was für Männer selbstverständlich gewesen sei.

Zum Beispiel die Ausstellung von 1982 "Gott oder Geißel - Erotik in der Kunst von heute". Viel Schelte gab es dafür von der männlichen Kunstkritik, bis hin zu dem Urteil, dass diese Schau wohl hauptsächlich die sexuelle Frustration der Kuratorin zeige.

Und heute? Für Christina Végh ist das Thema Kunst und Feminismus zwar gesellschaftlich virulent, aber in der Kunstszene so etwas wie eine "heiße Kartoffel". "Die fasst man nur ungern an, aus Angst davor, in die Schublade der auferstandenen Achtundsechziger gesteckt zu werden."

Mit der aktuellen Ausstellung "Ihre Geschichte(n)" habe sie die Debatte in die Gegenwart holen wollen. Denn prekär sei die Lage von Künstlerinnen noch immer, auch wenn die Studentinnen inzwischen die Akademien erobert hätten oder auf der letzten documenta bestens vertreten waren.

Man solle doch nicht glauben, dass das bisher Erreichte ohne weiteres Bestand habe, bestätige Margarethe Jochimsen diese Einschätzung. "Es kann ganz schnell gehen, dann sind die Frauen wieder stärker benachteiligt." Wenn es nach Georg Baselitz ginge, wäre das kein abwegiger Gedanke. Aber zumindest Annelie Pohlen ist mit solchen Machismo-Sprüchen schnell fertig. "Die lasse ich links liegen. Warum sollte ich mich heute mit den Dämlichkeiten von Baselitz, Lüpertz oder Tony Cragg herumschlagen?!"

Bonner Kunstverein feiert am Sonntag 50-jähriges Bestehen

Der Bonner Kunstverein feiert am Sonntag, 14. Juli, sein 50-jähriges Bestehen. Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch spricht aus Anlass des Jubiläums um 12 Uhr ein Grußwort. Außerdem sprechen: Professor Henning Boecker, Vorsitzender des Bonner Kunstvereins, NRW-Kulturstaatssekretär Bernd Neuendorf, Stephan Berg, Intendant des Kunstmuseums Bonn, sowie Christina Végh, Direktorin des Bonner Kunstvereins.

Anschließend wird die neue Außeninstallation des Künstlers Nicolas Party sowie eine Fotopräsentation von Franz Fischer, der den Kunstverein mit seiner Kamera über 30 Jahre begleitet, eingeweiht. Neben Festreden, Kinderprogramm, der aktuellen Ausstellung "Ihre Geschichte(n)" und Performances von Suse Weber und Christian Falsnaes gibt es Barbecue, Kölsch und Live-Musik .

Die Ausstellung "Ihre Geschichte(n)" läuft noch bis 25. August. Di-So 11-17, Do 11-19 Uhr. Am 28. Juli und am 25. August bieten die Kuratorinnen um 12 Uhr einen Rundgang durch die Ausstellung an.

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