Haus der Springmaus Manuel Andrack versuchte, das Publikum anzustecken

BONN · Die deutsche Bevölkerung lässt sich, grob gesagt, in zwei Gruppen einteilen: Die eine Hälfte wandert, die andere raucht, ist Linkshänder oder Fan des FC Bayern München. Diesen Einblick in die Demografie bekommt zumindest derjenige vermittelt, der Manuel Andracks "Kleiner Wandershow" zuschaut.

Der Kölner TV-Redakteur und Autor zahlreicher Wanderbücher stellte jetzt im Haus der Springmaus auch die These auf, dass Wandern als deutscher Volkssport keineswegs ausgestorben und zu unrecht als spießig verschrien sei.

Der Beweis sollte vom Publikum selbst erbracht werden: Berthold - groß, hager und grauhaarig - ist einer der 40 Millionen aus der ersten Gruppe und verschränkte vorsichtshalber die Arme vor der Brust, als Manuel Andrack ihn auf der Bühne zum Wandern befragte. Etappen des Jakobswegs nähmen er und seine Freunde sich jedes Jahr vor, überhaupt sei das Wandern ein großes Vergnügen für ihn.

Berthold ist damit zwar kein Kandidat für Andracks Therapieversuch, dennoch meinte er: "Viele haben ein Wandertrauma aus ihrer Kindheit." Diese liegt beim Großteil des Publikums etwa in den Siebzigern oder frühen Achtzigern. Passend dazu laufen immer wieder kurze Filmsequenzen über die große Leinwand, die neben Andrack aufgebaut ist. Zu sehen sind Heimatfilme, in denen, natürlich, gewandert wird. Diese böten aber, so die zweite These der Show, kein authentisches Bild der Tätigkeit, denn "was viele nicht wissen: Wandern ist kein Outdoor-Yoga. Man wandert sich denn Kopf auch nicht leer, sondern voll. Dabei kommen einem die besten Ideen. Wandern macht schlau!"

Dass Wandern sowohl körperlich als auch psychisch an die Substanz gehen kann, glaubt man erst recht, wenn man Manuel Andrack mit kreideblassem Gesicht an der Watzmann-Ostwand hängen sieht. Vor zwei Jahren hat er sich an die Klettertour gewagt. "Und das, obwohl ich in der Kletterhalle noch an der “Schlumpfine„ gescheitert bin", er also die Trainingswand nicht einmal mittels der blauen Klettersteine erklimmen konnte.

Der zweite Teil der Show fußt auf den beeindruckenden Bildern, die die Wanderlust des Manuel Andrack illustrieren, von der Nordeifel bis hin zu einem Talkessel auf La Réunion im Indischen Ozean. "Der Postbote dort muss sich eine Woche lang den Weg zu den Häusern erwandern." Humoristisch wird der Reisebericht immer dann, wenn Andrack von kuriosen Wegweisern und Wanderschildern erzählt, sich Gedanken um das Verhältnis von Gepäckgröße und psychischer Gesundheit macht - "je größer der Rucksack, desto voller das Unterbewusstsein" - oder das alte Thema der Geschlechterunterschiede aufs Wandern bezieht.

Kurzweilig ist die Show vor allem durch die Authentizität, mit der Manuel Andrack von seinem liebsten Hobby und der Überwindung und Ausdauer, die es erfordert, erzählt. Am Ende braucht es dann wahrscheinlich gar keine kollektive Hypnose mehr, die Andrack bemüht, damit das Publikum, von seiner Freude angesteckt, "einer goldenen Wanderzukunft entgegengeht".

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