Machtpoker um Amt des Generalmusikdirektor "Man kann gegen so ein Votum nicht angehen"

Bonn · Machtpoker um Blunier-Nachfolge: Peter Gülke, Mitglied der Findungskommission, plädiert für Jun Märkl

 Dirigent und Musikwissenschaftler: Kommissionsmitglied Peter Gülke. FOTO: MANU THEOBALD © ERNST VON SIEMENS MUSIKSTIFTUNG

Dirigent und Musikwissenschaftler: Kommissionsmitglied Peter Gülke. FOTO: MANU THEOBALD © ERNST VON SIEMENS MUSIKSTIFTUNG

Peter Gülke ist für Jun Märkl. Und sein Wort hat Gewicht. Der Dirigent gehört neben Nike Wagner (Beethovenfest) und Bernhard Helmich (Theater Bonn) der dreiköpfigen Findungskommission an, die für die Stadt Bonn einen neuen Generalmusikdirektor (GMD) sucht. Gülke bekräftigte seine Haltung gestern gegenüber dem General-Anzeiger auf Anfrage. Wagner und Helmich plädieren hingegen für den Franzosen Marc Piollet, den das Orchester jedoch ablehnt.

Der 80-jährige Gülke, der im vergangenen Jahr mit dem Siemens-Musikpreis geehrt wurde und in Weimar lebt, beobachtet die verhärteten Fronten zwischen Orchester und Verwaltung mit Sorge. Das Orchester hatte, wie berichtet, mit einer deutlichen 98-Prozent-Mehrheit für Märkl gestimmt, während Kulturdezernent Martin Schumacher die Entscheidung die Kommission Folge leisten und dem Rat der Stadt Piollet verschlagen will.

Das sei formaljuristisch durchaus korrekt, sagt Gülke, weil das Orchester in dem Findungsverfahren kein Stimmrecht habe, sondern nur als Berater der Kommission gehört werde. Gülke: "Das Votum des Orchesters lässt diesen Aspekt allerdings arg formaljuristisch erscheinen. Wie sehr kann ein hoch spezialisiertes Ensemble sich noch ernstgenommen fühlen, wenn über die Köpfe hinweg entschieden wird? Nicht zuletzt aufgrund meiner langjährigen GMD-Erfahrungen halte ich es für unabdingbar wichtig, das Orchester an der Verantwortung für die Entscheidung zu beteiligen. Man kann gegen so ein Votum nicht angehen."

Ohne ein Minimum an wechselseitiger Bejahung sei eine ersprießliche künstlerische Zusammenarbeit kaum möglich, sagte Gülke. Er befürchtet zudem, dass die Stimmung gegen einen vom Orchester mit eindeutiger Mehrheit abgelehnten Chef in dem Jahr, das bis zu seinem Amtsantritt 2016 vergehen würde, noch zunehmen könnte. "Dann können die Gerüchte ein Jahr lang kochen."

Gülke betonte gestern aber auch, dass er die Positionen Wagners und Helmichs gut nachvollziehen könne. Er sprach von einer "sehr offenen, sympathischen, von wechselseitigem Verständnis bestimmten Diskussionen innerhalb der Findungskommission, in der ich mir viele Gesichtspunkte meiner Kollegen zu eigen machen konnte". Für ihn seien beide Kandidaten unter je wechselnden Aspekten interessant und kämen "grundsätzlich in Frage".

Die Gesellschaft der Freunde des Beethoven Orchesters treibt unterdessen dieselbe Sorge um wie Gülke. Deren Vorsitzender Manfred Osten zeigte sich verwundert darüber, dass lediglich Helmich bei den Probedirigaten dabei gewesen sei. Für ihn stehe die Entscheidung pro Piollet von daher "auf tönernen Füßen". "Aber man hat ja noch genügend Zeit, die Situation zu überdenken", sagte er gestern dem General-Anzeiger.

Zurückhaltend in dem Machtpoker zwischen Orchester und Verwaltung äußerte sich Bernhard Helmich. "Es gibt eine Empfehlung der Findungskommission, der ich angehöre", sagte er, und die wolle er mittragen. Am Ende aber müsse der Rat über den Kandidaten entscheiden.

Der Konflikt um die Nachfolge von Generalmusikdirektor Stefan Blunier wird sich möglicherweise noch weiter zuspitzen. Das Orchester hat, wie zu erfahren war, bereits ein Schreiben noch unbekannten Inhalts an Bonns Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch abgeschickt. Nun soll der OB vermitteln.

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