Drei herausragende Graphic Novels des Jahres Maler in Ekstase

Monatelang hat der junge Pablo Picasso 1907 in Paris an dem riesigen Bild gemalt, das später erst den Titel "Les Demoiselles d'Avignon" bekam.

 Was Graphic Novels erzählen können: Picassos Verzweiflung angesichts der "Demoiselles d'Avignon" in "Pablo".

Was Graphic Novels erzählen können: Picassos Verzweiflung angesichts der "Demoiselles d'Avignon" in "Pablo".

Foto: Avant Verlag

"Eines Tages wird man ihn aufgehängt hinter der Leinwand finden", so, befürchtete ein Kollege, würde der wie in manischen Schüben arbeitende Spanier enden. 809 Vorstudien belegen die Intensität dieses Projekts, dieser wuchtigen Vision, schwüler Bordelltraum - Picasso kannte das Freudenhaus in der Calle de Avignon in Barcelona - und gespenstische Geisterbeschwörung in einem. Erst 1916 wurde das Gemälde mit den fünf in Ekstase tanzenden Nackten, ein Schlüsselbild des Kubismus, erstmals gezeigt.

Julie Birmant und Clément Oubrerie haben die Geschichte rund um "Les Demoiselles d'Avignon" aufgegriffen und erzählen sie in der opulenten Graphic Novel "Pablo" (Reprodukt, 92 S., 20 Euro) nach. "Pablo" ist Teil vier einer exzellenten Reihe über die frühe Moderne.

Die übrigen Bände des Duos widmen sich Max Jacob, Apollinaire und Matisse und sind ebenfalls bei Reprodukt erschienen. "Pablo" oszilliert gekonnt zwischen Tratsch, Fantasie und kunsthistorisch fundierten Fakten, lässt die Verzweiflung und Besessenheit des jungen Spaniers spüren. Meisterhaft gezeichnet, geht die Graphic Novel auf die inneren Konflikte Pablo Picassos ein, ganz großartig sind die Partien gelungen, in denen Erotik und Wahnsinn, das Gewalttätige und Gewaltige dieser frühen Moderne in Paris zum Thema gemacht werden.

Innere Welten tun sich auch in "Ein Sommer am See" von Jillian und Mariko Tamaki (Reprodukt, 320 S., 20 Euro) auf. Die kanadischen Comic-Künstlerinnen - Jillian zeichnet etwa für die New York Times, Mariko schreibt Prosa und ist Filmemacherin - nähern sich behutsam den Cousinen Rose und Windy im letzten Sommer ihrer Kindheit. Eine unheimlich zart, aber auch sehr witzig und hintergründig, in zarten Blauviolett-Tönen erzählte Coming-of-Age-Geschichte, die so leichtfüßig wie melancholisch daherkommt. Die beiden Mädchen haben jeden Sommer ihre Ferien an dem kanadischen See gemeinsam verbracht. Doch in diesem Urlaub werden die Themen ernster, treten erste Brüche und Widersprüche auf.

Der flotte, mitunter geradezu kindliche Zeichnungsstil täuscht mitunter darüber hinweg, dass sich hier ein tiefes Drama des Erwachsenwerdens manifestiert. Die völlig zu Recht mit dem renommierten Eisner-Preis in San Diego ausgezeichnete Graphic Novel dürfte für manchen Leser eine poetische und magische Zeitreise in die eigene Kindheit sein.

Auch die dritte hier vorgestellte Graphic Novel zeigt die ganze Bandbereite, die dieses Genre so spannend - und erfolgreich - macht: tolle Geschichte und ein geradezu filmischer Erzählstil, der dieses großteils auf einem Schiff stattfindende Drama spannend auflädt. Younn Locard und Florent Grouazel inszenieren ihre Geschichte "Éloi" (Avant-Verlag, 224 Seiten, 29,95 Euro) als packende Abenteuergeschichte auf dem Meer - in gedeckten Blautönen und filigraner Zeichnung. Es ist das Jahr 1842. Die französische Fregatte "La Rénommée" ist auf der Rückfahrt von Neukaledonien, hat an Bord den jungen Kanaken Éloi, den die Besatzung als "Menschenfresser" fürchtet.

Locard und Grouazel betten die intensiven, mitunter klaustrophobisch im Schiffsbauch angesiedelten Konfliktszenen in geradezu malerische Ansichten von Himmel und Meer, die gleichwohl die Dramatik steigern. Fundamentale Debatten des kolonialen 19. Jahrhunderts werden hier komprimiert und auf der Bühne eines schwankenden Schiffs geführt. Ein gewaltiges Schauspiel, präsentiert von einen glänzenden Team zweier junger Franzosen.

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