Konzertkritik London Symphony Orchestra in der Kölner Philharmonie

Köln · Das London Symphony Orchestra gastiert mit seinem neuen Chef Simon Rattle in der ausverkauften .

Um zu zeigen, was sie wirklich können, müssen die Musiker des London Symphony Ochestra (LSO) nicht unbedingt mit der Tür ins Haus fallen. Ein Sinfoniekonzert jedenfalls lässt sich kaum zarter, unspektakulärer beginnen als mit den Sechzehntelnoten aus Franz Schuberts siebter Sinfonie in h-Moll, der sogenannten „Unvollendeten“. Und die klangen in der ausverkauften Kölner Philharmonie unter der Leitung des neuen LSO-Chefs Sir Simon Rattle ganz wunderbar leicht und duftig.

An seinem neuen Arbeitsplatz kann sich Rattle, dessen Ära am Pult der Berliner Philharmoniker Ende der Saison Geschichte sein wird, nach der ersten Hälfte seiner Debütsaison bereits sehr wohl fühlen. Jedenfalls wirkte das Zusammenspiel von Dirigent und Orchester sehr vertraut, auch im weiteren Verlauf des Stücks, das bei den Briten vor allem aus dem Kontrast heraus lebte: Die Fortestellen kamen mit enormer dramatischer Wucht herüber.

Familiär wirkte die Atmosphäre auch im nächsten Programmteil; er war fünf Liedern Gustav Mahlers nach Gedichten von Friedrich Rückert gewidmet. Als Solistin war Rattles Frau, die Mezzosopranistin Magdalena Kožená, mit nach Köln gereist. Ihre warme, wenn auch nicht allzu große Stimme schmiegt sich dem vordergründig schlichten Charakter der Gesänge wunderbar an. Und das Orchester umschmeichelte ihre Stimme in den schönsten Farben. Auch dort, wo die Streicher nicht beteiligt waren.

In dem Lied „Um Mitternacht“ sind neben der Solostimme die Bläser, Harfe und Klavier für die traumverlorene Atmosphäre zuständig, die sie unter Rattles Leitung durch eine feine Ausbalancierung des Klangbildes erzielten. Nach dem sehr einfühlsam vorgetragenen Lied „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ schloss sich der Applaus des Publikums fast zu spontan an.

Dass im Orchester fabelhafte Solisten an den ersten Pulten sitzen, hatte man schon in den Stücken von Schubert und Mahler hören können. Im Finale, das mit Béla Bartóks „Konzert für Orchester“ aufwartete, war Virtuosität Programm. Dass Bartók diese pralle, lebensvolle, packende Musik am Ende seines Lebens als schon schwer kranker, entwurzelter Künstler im verhassten New Yorker Exil schrieb, verrät die Musik nicht. Rattle und seine Musiker zeichneten auf brillante Weise den Weg nach, den Bartók in den fünf Sätzen bis zum überschwänglich lebensbejahenden Finale ging.

In diesem Stück schwingt plötzlich wieder das Beethoven'sche „Durch die Nacht zum Licht“-Prinzip mit. Hier ist Rattle vollends in seinem Element, die wilden Rhythmen kamen äußerst brillant herüber, im zweite Satz ließ er die Blasinstrumente herrliche Reigen tanzen, bis in der Mitte ein von den Blechbläsern butterweich intonierter, sehnsüchtiger Choral dem Treiben kurzfristig ein Ende setzte. Dem Zauber der Elegie konnte man sich ebenso wenig entziehen wie dem von Rattle herrlich herausgekitzelten Humor im Intermezzo. Das Finale geriet dann zu eine Lehrstunde in Sachen orchestraler Virtuosität. Das Publikum spendete lange und begeistert Applaus.

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