Oper Köln Liebelei im Hühnerhof

Köln · Domenico Cimarosas „Il matrimonio segreto“ ist die einzige Oper, die bei ihrer Uraufführung komplett wiederholt werden musste, so gut gefiel dem erlauchten Wiener Publikum das komische musikalische Treiben.

 Höchste Verwirrung: Szene mit Renato Girolami (Graf Robinson, links) und Emily Hindrichs (Elisetta, rechts).

Höchste Verwirrung: Szene mit Renato Girolami (Graf Robinson, links) und Emily Hindrichs (Elisetta, rechts).

Foto: Leclaire

"Da capo“, rief Kaiser Leopold II. im k.k. Hoftheater zu Wien am 7. Februar 1792 – und die Sänger und Musiker stürzten sich aufs Neue ins Vergnügen. 226 Jahre später zeigen sich auch die Kölner Premierengäste sehr angetan von der „Heimlichen Hochzeit“. Mit der Übernahme der erfolgreichen Produktion von den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik ist die Oper kein Risiko eingegangen.

Das will auch Graf Robinson vermeiden, der durch die Heirat mit der Kaufmannstochter Elisetta eine saftige Mitgift einzustreichen gedenkt. Leider findet er plötzlich die jüngere Schwester Carolina viel attraktiver. Auch sonst stellt sich das Begehren in Cimarosas Melodramma giocoso als recht komplizierte Angelegenheit dar. Fidalma, die verwitwete Tante der Schwestern, macht dem jungen Buchhalter Paolino schöne Augen, der aber hat bereits vor zwei Monaten heimlich Carolina geheiratet. Außer Liebesirrungen und -wirrungen passiert nicht viel. Dass es trotzdem in den dreieinhalb Stunden der ungekürzten Fassung nur selten langweilig wird, liegt zum einen am geistreichen Libretto, bei dem sich Giovanni Bertati von der englischen Komödie „The Clandestine Marriage“ inspirieren ließ.

Zum anderen am stimmigen Ambiente, das Regisseur Renaud Doucet und Bühnen-/Kostümbildner André Barbe sich haben einfallen lassen: Die Handlung spielt im Hühnerstall, der als dreidimensionale Sepia-Tuschzeichnung die gesamte Bühne des Staatenhauses ausfüllt. Strohhaufen, Drahtgitter, Körbchen zum Eierlegen – alles, was das Federvieh so zum Leben braucht, ist da. Vor der einfarbigen Kulisse schillern die bunten Kostüme um so prächtiger. Kaufmann Geronimo, Brautwerber Robinson und Buchhalter Paolino stolzieren als grell ausstaffierte Gockel umher, und wenn die feuerroten Perücken entsprechend toupiert sind, taugen sie auch als Hahnenkämme.

Eigenwillige Choreografie

Die Damen sind naturgemäß weniger bunt, tragen aber mit ihren weit nach hinten bürzelnden Röcken die gleiche glückliche Verbindung von Rokokotracht und Federkleid zur Schau. Das Bewegungsrepertoire des Hühnerhaufens kann die Handschrift des gelernten Tänzers und Choreographen Doucet nicht verleugnen. Da wird auch schon mal mit den Flügeln geschlagen, mit dem Kopf geruckelt oder mit dem Fuß gescharrt. Die Ensembles der Oper, in der oft alle im Staccato durcheinander schnattern und gackern, fordern die Geflügel-Assoziation schon musikalisch heraus. Was läge da näher, als die Schwächen und Eitelkeiten der Spezies Mensch tierisch zu illustrieren?

Zumal die Inszenierung mit Sängern gesegnet ist, deren darstellerische Präsenz ebenso stark ist wie ihre Stimmen. Bass Donato di Stefano (Geronimo) und der kraftvolle Bariton Renato Girolami (Robinson) sind komödiantische Schwergewichte, die im Hahnenkampf alle Register ziehen. Jennifer Larmore gibt mit farbenreichem Mezzo gurrend, flötend und zeternd die liebestolle Tante Fidalma, in deren Dekolleté Tenor Norman Reinhardt (Paolino) zu versinken droht. Anna Palimina tänzelt mit ihrem runden und hell schimmernden Sopran als Carolina ganz bezaubernd die Hühnerleiter auf und ab, während die chronisch gekränkte Elisetta Emily Hindrichs ihren tadellos sitzenden Koloraturen auch schon mal ein leidendes Timbre verleiht. Wenn alle zusammen singen, vermählen sich glücklich Akkuratesse und Transparenz.

Das gilt auch für das Gürzenich-Orchester, dem Gianluca Capuano viel rhythmische Frische und lyrische Eleganz entlockt. Für die Rezitative bedient der Dirigent zwischendurch im Stehen ganz entspannt das Cembalo, bevor er sich wieder einem Orchesterklang widmet, der über weite Strecken ebenso fein gewirkt ist wie die Stoffe der Geflügelroben.

Am Ende fügt sich alles zum besten. Und bliebe auch so. Doch im Hintergrund, vor der offenen Stalltür, steht ein Hackblock mit Schlachtbeil als unübersehbarer Hinweis auf die Vergänglichkeit von Hühnern und Menschen. Davon sollte sich aber niemand abschrecken lassen.

Die nächsten Vorstellungen: 27. Juni, 1., 5., 7., 13. und 15. Juli

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