Leises Nieseln als heimeliges Hintergrundgeräusch

Das regnerische Premierenwetter kann der Qualität des "Kölschen Jedermann" nichts anhaben - Alle Akteure der Sproch- und Spelljrupp Niederdollendorf verdienen sich in der Chorruine Heisterbach den Applaus

Leises Nieseln als heimeliges Hintergrundgeräusch
Foto: Homann

Heisterbach. Die bangen Blicke gen Himmel am Freitagabend sollten ihre Berechtigung haben. Kaum hatte Lothar Vreden zum Prolog des "kölschen Spell vom Jedermann" angehoben, das setzte leicht, aber beständig, ein Nieselregen die Stuhlreihen in der Chorruine Heisterbach unter Wasser.

Und dennoch: Die über 400 Premierengäste, die am ersten von insgesamt sechs Abenden dem Jubiläumsprogramm der Sproch- und Spelljrupp Niederdollendorf folgten, ließen sich vom Geschehen auf der Bühne so sehr in den Bann ziehen, dass das feuchte Rieseln auf den Regencapes beinahe schon zu einem heimeligen Hintergrundgeräusch des Abends wurde.

Hans-Theo Handrick als Jedermann versteht sich darauf, den Hochmut des von ihm gespielten Lebemannes treffend in den Zuschauerraum zu transportieren. Szene um Szene schlägt er die anfängliche Mahnung des Spielleiters Lothar Vreden, Gott zu ehren ("Hald en üch warm als joode Fründ"), in den Wind.

Einen arroganten Unsympath, so würde man die von Hugo von Hofmannsthal (1874-1929) im Jahr 1911 geschaffene Figur wohl heute nennen. Der wohlhabende Mann genießt das Leben in vollen Zügen und kostet alles aus, was er für sein Geld bekommen kann.

Schon in den ersten Szenen feiert er mit seinen Freunden Hannes, Pitter und Tünn (Alex Blesgen, Rüdiger Dahs und Guido Wasmuth) sich und seinen Übermut. Selbst einen armen Mann und sein Kind beschimpft der Kaltherzige und schlägt ihnen die flehend erbetene Hilfe ab, tut dazu die Skrupel seiner Kumpanen als falsches Mitleid ab: "Erst ich, dann ich, dann ich", so seine eindeutige Interessenlage.

Nach und nach versündigt sich der Jedermann immer mehr, tritt die Gefühle seiner Mitmenschen mit Füßen, lässt sich hofieren, und in seinem Gefühl bestärken, der Größte zu sein - so groß, dass er gar Gott verlacht. Einzig seine Geliebte, die Joldmösch (gespielt von Silke Pock) bildet eine Ausnahme: "Hück Owend kütt de Schönste, na do weeß, der Joldfasan, der mir et Bloot mäht heeß.

Die Dame liebt den edlen Wein, seht zu, es soll mir alles nur vom Besten sein", ruft Jedermann seinem Knecht (Erich Steffens) zu. Der grient zurück: Jewiss doch, Herr, jewiss, ich jewen aach. Ne joode Droppe jit en joode Naach".

Gespenstisch ist die Chorruine plötzlich in Rauch und rotes Licht getaucht. Tod und Teufel (Theo Schäfer und Martin Klingmüller) melden gleichermaßen Interesse am jämmerlichen Leben des Jedermann an. Der will das zunächst nicht glauben, muss aber schließlich feststellen, dass Geld im Leben nicht alles ist.

Geläutert und um diese Erkenntnis reicher, wendet er sich vom Schlechten ab, so dass der Teufel im Kampf um seine Seele unterliegt. Schließlich stirbt der Jedermann, beruhigt in der Gewissheit, letztlich doch noch Gottes Gnade gefunden zu haben.

Monatelang hat die Sproch-und Spelljrupp den "Kölschen Jedermann" unter Leitung von Regisseur Friedrich Müller einstudiert. Bei den drei Vorstellungen am Wochenende endlich wurden die Darsteller - allesamt Laien, was bei der professionellen Darbietung leicht in Vergessenheit gerät - mit dem verdienten Applaus belohnt.

Das wird mutmaßlich auch bei den drei verbleibenden Aufführungen so sein. Gespielt wird der kölsche Jedermann wieder am kommenden Freitag, Samstag und Sonntag jeweils um 20.30 Uhr (Eintritt 18 Euro, Einlass 19 Uhr). Mit etwas Glück ist dann auch das Wetter beständiger.

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