"Kind of Cool" reaktiviert die Jazz-Revolution der Endfünfziger Legenden im neuen Licht

Kann man den Ever-ever-evergreen "Summertime" noch hören, muss man sich "Autumn Leaves" in seiner gefühlten zehntausendsten Version noch antun? Man sollte es, wenn es - was, wie hier, sehr selten vorkommt - von erstklassigen Musikern serviert wird und sich an klassischen, wegweisenden Arrangements orientiert.

 Impulsgeber und Katalysator: Schlagzeuger Wolfgang Haffner.

Impulsgeber und Katalysator: Schlagzeuger Wolfgang Haffner.

Foto: Gregor Hohenberg

"Les feuilles mortes", die wunderbar melancholische Ballade, ein Chanson, das 1945 von Joseph Kosma, auf einem Gedicht von Jacques Prévert fußend, komponiert wurde, machte international als "Autumn Leaves" Karriere und erhielt 1958 die höchsten Jazz-Weihen durch Cannonball Adderley auf seinem Album "Somethin' Else" - mit Miles Davis als Trompeter.

Hier setzt Wolfgang Haffners grandioses Musikprojekt "Kind of Cool" an, das sich im Titel und Geist natürlich an Davis' stilprägendes Album "Birth of the Cool" (1957) anlehnt. Haffner (49), nicht nur der wahrscheinlich brillanteste Jazz-Schlagzeuger Deutschlands, sondern auch ein Mann, der als perfekt vernetzter Bandleader wie ein Katalysator wirkt, die erstaunlichsten Reaktionen bei seinen Mitspielern zustande bringt, präsentiert auf "Kind of Cool" die erste Garde.

Er hat sich nicht nur Koryphäen wie das Trompeter-Urgestein Dusko Goykovich, den Ausnahme-Pianisten Frank Chastenier und den begnadeten Posaunisten und Allrounder Nils Landgren ins Team geholt. Christopher Dell am Vibraphon, der Finne Jukka Perko (Saxofon) und Dan Berglund, Bassist von e.s.t., steuern herrliche Farben bei.

Eine Überraschung ist unbedingt die Verpflichtung von Max Mutzke, Deutschlands Hoffnung beim Eurovision Song Contest 2004 in Istanbul, wo er den achten Platz belegte. Mutzke beeindruckt mit sattem Soul in der Nummer "Piano Man".

Haffner, der erste Jazzerfahrungen mit der Platte "Dave Brubeck live in Carnegie Hall" sammelte, sich früh mit der Musik der Jazz Messengers und des Modern Jazz Quartet versorgte, greift tief in die Kiste des Cool-Jazz. "Django" von John Lewis hat man noch nie so cool und verspielt zugleich gehört, was unbedingt mit Jan Lundgrens unaufgeregtem Piano-Solo und Perkos lockerleicht wiederaufgenommenem Thema zu tun hat.

Am Anfang von "My Funny Valentine" baut sich unglaublich langsam, intensiv eine große, fast brütende, gärende Spannung auf, die bis zuletzt eine ganz besondere Stimmung prägt - eine tolle, unerwartete Interpretation dieses Klassikers. Miles Davis' "So What" startet mit einer strengen Abfolge von Bass-Akkorden und kurzen Trompetenstößen, bevor ausufernd das Vibraphon losswingt und Haffners Schlagzeug kaum hörbar, aber durchaus spürbar das Tempo markiert. Lundgren am Piano hat hier erneut wunderbare Momente.

Haffners drei Eigenkompositionen "Hippie", "Tantricity" und "Remenbrance" fügen sich sehr gut in "Kind of Cool" ein, wobei die letzte Nummer den Coolness-Oscar verdient.

Wolfgang Haffner: "Kind of Cool" (ACT music).

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