Landwirt, Schnapsbrenner und Verleger

Fundgrube für Musikfreunde: Selbst der junge Beethoven holte sich Anregungen aus der "Neuen Blumenlese" von Heinrich Philipp Boßler - Das Beethoven-Haus stellt den Herausgeber in Bonn vor

Bonn. Heutzutage hätte Heinrich Philipp Boßler seine Publikation Anthologie genannt; damals sagte man dazu Florilegium: "Blumenlese". Mit seiner "Neuen Blumenlese für Klavierliebhaber" war der Verleger, dem im Beethoven-Haus jetzt eine Sonderausstellung gewidmet ist, außerordentlich erfolgreich. Sie erschien 1782 bis 1787 wöchentlich in einer Auflage von 1500 Exemplaren - für die damalige Zeit fast sensationell.

Boßler besaß einen sensiblen Instinkt für die Bedürfnisse des gebildeten Bürgertums, dessen Selbstwertgefühl in den Jahrzehnten vor Ausbruch der Französischen Revolution erheblich gestiegen war. Gewünscht wurde Kammermusik für den Hausgebrauch, mit der sich angenehm umgehen ließ, nicht zu anspruchsvoll für Ausführende und Hörer. Obgleich das Artige und Niedliche überwiegt, enthält die Sammlung auch hochrangige Kompositionen von Mozart ("Das Veilchen", eine frühere Vertonung des Goethe-Gedichts war vorangegangen), Haydn (Klaviertrios op. 40), Kozeluch, Pleyel und vielen anderen. Man darf annehmen, dass der junge Beethoven sich in der "Blumenlese" wesentliche Anregungen holte.

Der 1744 in Darmstadt geborene Boßler erhielt eine Ausbildung zum Graveur und Kupferstecher. Seine Tätigkeit als Münzpräger genoss einen guten Ruf. Auch mit chemischen Prozessen beschäftigte er sich, was ihn auf neue Ideen beim Notendruck brachte. 1780 übersiedelte er nach Speyer, wo er seinen renommierten Verlag gründete. Nachdem die "Blumenlese" eingestellt war, begann er 1790 mit der Herausgabe einer weiteren Anthologie, der "Bibliothek der Grazien", einer Monatsschrift für "Liebhaberinnen und Freunde des Gesangs und Klaviers", in der auch regelmäßig Silhouetten von "hohen Beschüzzerinnen der Musik" erschienen.

Bereits 1788 hatte er die "Musikalische Real-Zeitung" gegründet, die wesentliche Impulse für die moderne Musikberichterstattung gab. Ab 1790 erschien sie unter dem Titel "Musikalische Korrespondenz der teutschen Filarmonischen Gesellschaft" und war gedacht als musikalische Variante der Tätigkeit von Lese-Gesellschaften, die sich im Zuge der Aufklärung allenthalben gebildet hatten. Die Wirren der Koalitionskriege brachten Boßlers verlegerische Tätigkeit zum Erliegen. Zwar hatte er den Sitz der Firma vor dem Einmarsch der Franzosen nach Darmstadt verlegt, aber die äußeren Schwierigkeiten wie Papierknappheit und Blockade der Postwege waren immens; schließlich dienten Druckplatten den Militärs als Rohmaterial für Munition.

Seit 1794 lebte Boßler mit seiner Frau und der blinden Glasharmonika-Spielerin Mariane Kirchgessner, die er als Impresario betreute, in London. Nach dem Erwerb eines Bauernhofes in der Nähe von Leipzig versuchte er sich in der Landwirtschaft, auch als Schnapsbrenner machte er sich einen Namen. Er starb 1812 in bescheidenen Verhältnissen.

In den beiden Ausstellungsräumen sind vor allem Notendrucke zu sehen: Boßlers Verlags-Erzeugnisse, darunter einige Unikate, auch in Verbindung mit Kompositionen Beethovens. Silhouetten, Gravuren und Subskriptionsverzeichnisse runden das Bild ab. Zur Eröffnung der Ausstellung durch Kustos Michael Ladenburger gab der Musikantiquar Hans Schneider, aus dessen Besitz die Sammlung Boßler an das Beethoven-Haus übergegangen ist, eine umfassende Einführung, die von Liedern aus der "Blumenlese" umrahmt wurde. Ingrid Schmithüsen sang sie mit glockenreiner Stimme und schlichtem Ausdruck. Unter den konventionellen Kompositionen fielen einige mit elegischem Ton und der Neigung zu feiner psychologischer Ausgestaltung auf. Gerald Hambitzer, der Schmithüsen am Hammerflügel begleitete, brachte auch einige frühe Klavierwerke Beethovens zu Gehör, unter denen die Sonate f-Moll am ehesten Hinweise auf die spätere Entwicklung enthielt. Die Musik kann während des Besuchs der Ausstellung gehört werden.

Bis 18. September. Montags bis samstags 10-18 Uhr und sonntags 11-16 Uhr.

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