Kunst!Palast in der Rheinaue LaBrassBanda sorgten für klatschnasse Hemden

Bonn · Die Luft ist schlimmer als in einer Sauna, schweißgeschwängert, vernebelt, heiß. Die Versuche des Service- und Sicherheitspersonals, für ein wenig Erfrischung zu sorgen, scheinen zumindest direkt vor der Bühne des Kunst!Palasts keine Wirkung zu erzielen.

Aber hier kocht ohnehin die Tanzwut, ragen die Arme in die Höhe, hüpfen klatschnasse T-Shirt-Träger auf und ab - zu bayerischer Blasmusik. Gut, nicht zu der traditionellen Variante, nicht zum Wump-ta-ta alter Marschkapellen, sondern vielmehr zum Hochgeschwindigkeits-"Ra-ta-ta-ta-tat" von LaBrassBanda.

Spätestens seit ihrem zweiten Platz beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest 2013 (an dem nur das bizarre Jury-Urteil Schuld war - im Nachhinein ein Segen) ist die Formation mit ihrer ungewöhnlichen Stilmischung in aller Munde. Alpen-Techno mit Funk-, Gypsy- und Ska-Einflüssen. Hauptsache schnell.

Ein Rezept, das funktioniert: Der Jubel des Publikums erinnert in dem Zelt mehr und mehr an eine Stadionatmosphäre, die gut 1800 Gäste feiern das Chiemgauer Oktett mit ohrenbetäubendem Lärm. Und machen begeistert alles mit, wippen, winken, singen ganz so, wie es Frontmann Stefan Dettl, seine Trompete in der Hand,von ihnen fordert.

LaBrassBanda hat die Menge von der ersten Sekunde an im Griff. Die subtropischen Bedingungen im Kunst!Palast? Genau richtig für dieses Konzert, so Dettl. Wenn ohnehin alle schwitzen, kann man auch gleich alle Hemmungen ablegen, sich völlig verausgaben und noch ein paar Liter mehr aus seinen Poren pressen.

Dettl macht es vor, dann kommt noch Gogo-Tänzer und Co-Trompeter Jörg dazu, ein Veitstanz auf nackten, behaarten Hobbitfüßen. Dazu pressen Tuba-Professor Andreas Hofmeir, Posaunist Manuel Winbeck und der dritte Trompeter in der Band, Korbi Weber, kraftvoll und technisch auf hohem Niveau in ihr Blech, schnelle Noten zerhackend wie ein Holzfäller-Trio, während Bassist Mario Schönhofer und Drummer Manuel da Coll ihre Instrumente mit einer Vehemenz malträtieren, die irgendwie an Dreschflegel erinnert.

Einpeitschende Rhythmen, knackig schmetternde Bläser und der bayerische Sprechgesang Stefan Dettls, den man kaum versteht, aber eigentlich auch nicht verstehen muss - das alles bildet die Grundlage für den einzigartigen LaBrassBanda-Sound, der so sowohl in Sibirien als auch in Simbabwe funktioniert. Oder eben in Bonn.

Übrigens: Im Gegensatz zu dem Konzert von Beth Hart, bei der die breiige Zelt-Akustik noch die Qualitäten der Sängerin ins vernichtende Chaos überführte, kommt der Klang von LaBrassBanda im Kunst!Palast schon viel besser rüber. Was ein paar kurzfristig organisierte und gespannte Stoffbahnen unter der Decke doch ausmachen können.

Zwei Stunden lang jagen die Chiemgauer einen Song nach dem anderen durch das Zelt, zwischendurch sorgt Stefan Dettl mit charmanten Anekdoten für kleine Atem- und Bierpausen, bevor es weitergeht auf der Turbolader-Achterbahnfahrt zwischen dörflicher Blasmusik, Reggae-Ritualen und Techno-Beats. International auch das neue Album "Europa", dessen Stücke LaBrassBanda immer wieder einflechtet, Schweden ebenso bedenkt wie Frankreich.

Auf die großen Erfolge verzichten sie natürlich ebenso wenig, vor allem "Nackert" wird frenetisch bejubelt. Doch irgendwann ist Schluss, die ersten Zuhörer taumeln aus dem Zelt. Nass, aber glücklich. Und mit einem klaren Urteil: LaBrassBanda soll im nächsten Jahr wiederkommen. Dann bitte auf die große Bühne.

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