Kurt P. Tudyka und Elisabeth Einecke-Klövekorn: "Kulturvandalismus und Raubbau"

Vor fast fünf Jahren gründete sich die Vereinigung der Freunde der Kammerspiele - weil eine Schließung drohte. 30.000 Unterschriften verhinderten das. Mit dem Vorsitzenden Kurt P. Tudyka und seiner Stellvertreterin Elisabeth Einecke-Klövekorn sprach Bernd Linnarz über die Situation.

Kurt P. Tudyka und Elisabeth Einecke-Klövekorn: "Kulturvandalismus und Raubbau"
Foto: Bernd Linnarz

Bad Godesberg. Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch hat angekündigt, dass die Stadt ab 2013 bei Oper und Theater sieben Millionen Euro streichen will. Im Raum steht dabei nicht zum ersten Mal auch eine Schließung der Bad Godesberger Theater-Spielstätte.

Vor fast fünf Jahren gründete sich die Vereinigung der Freunde der Kammerspiele - eben weil eine Schließung drohte. 30 000 Unterschriften verhinderten das. Mit dem Vorsitzenden Kurt P. Tudyka und seiner Stellvertreterin Elisabeth Einecke-Klövekorn sprach Bernd Linnarz über die Situation.

General-Anzeiger: Wie groß ist die Gefahr, dass die Kammerspiele 2013 geschlossen werden?

Elisabeth Einecke-Klövekorn: Extrem groß. Es ist die zentrale und einzige voll ausgerüstete Spielstätte des Bonner Theaters. Wenn es zu massiven Kürzungen im Kulturetat kommt, wird es die Kammerspiele mit Sicherheit als erstes treffen. Weil sie eben auch den größten Ausgabeposten im Haushalt darstellen.

Kurt P. Tudyka: Und das darf nicht sein. Die Theaterwerkstatt in Bonn und die Halle Beuel sind zwar wunderschöne Zusatzangebote. Doch sie haben den Charme der 70er Jahre und werden den Ansprüchen des Bonner Bildungsbürgertums nicht gerecht.

GA: Wäre eine Schließung der Kammerspiele denn nicht konsequent?

Tudyka: Wenn man die Entwicklung der letzten Jahre nimmt, könnte man das so sehen. Unter Intendant Klaus Weise hat es bereits gravierende Einschnitte im Vergleich zur Eschberg- und Beilharz-Ära gegeben. Das Ensemble wurde beispielsweise von 70 auf rund 20 Mitglieder gestutzt, das technische Personal erheblich reduziert. Der Spielplan musste folglich ausgedünnt werden. Wir finden, das reicht. Und ich nenne das Kulturvandalismus und Raubbau.

GA: Apropos Intendant. Letztlich soll er wohl entscheiden, wie es mit dem Bonner Theater weitergeht und wo gespart werden soll...

Einecke-Klövekorn: Ja. Auch das geht nicht. Intendanten kommen und gehen. Aber wenn eine Spielstätte geschlossen wird, bleibt sie geschlossen. Eine solche Entscheidung darf und kann man einem Intendanten trotz aller Gestaltungskompetenz nicht alleine überlassen. Entscheiden muss der Rat der Stadt, der die Bürgerschaft repräsentiert.

GA: Zunächst sollen die Bürger ja selbst das Wort haben und über die Einsparvorschläge abstimmen...

Tudyka: Aber auch das kann nur eine Empfehlung sein. Am Ende muss die Politik entscheiden, die sich nicht hinter der Mehrheitsmeinung einer Bürgerabstimmung verstecken darf. Das klingt zu sehr nach Alibi der Stadtspitze und den gewählten Volksvertreten, sich vor einer unpopulären Entscheidung zu drücken - nach dem Motto: Das wollen die Bonner so, und wir sind aus dem Schneider.

GA: Warum sollten die Kammerspiele denn bleiben?

Einecke-Klövekorn: Weil sie für Bad Godesberg als Standortfaktor und für die Belebung seiner Innenstadt enorm wichtig sind...

Tudyka: ...und weil sie für das überregionale Image der Bonner Kultur unverzichtbar sind. In der Tat würde Bad Godesberg bei solch dramatischen Kürzungen unverhältnismäßig stark getroffen. Vor allem auch all die, die von den rund 50 000 Besuchern innerhalb einer Spielzeit indirekt profitieren. Zum Beispiel die Gastronomie und die Geschäftswelt. Vor allem würde jedoch das Renommee des Stadtbezirks und der gesamten Stadt nachhaltig zerstört. Es käme einem kulturellen Kahlschlag gleich.

GA: Wie viel Euro an Ersparnis würde eine Schließung der Kammerspiele Bonn letztlich bringen?

Einecke-Klövekorn: Etwa 1,5 Millionen Euro. Das wäre nur etwa ein Viertel der Summe, die die Stadt einsparen will...

Tudyka: ...und das wäre noch lange nicht das Ende der Fahnenstange.

GA: Wäre die Kooperation mit anderen Städten, unter anderem mit Köln, keine Alternative, um Geld zu sparen?

Einecke-Klövekorn: Darüber wird seit fast 30 Jahren diskutiert. Es ist eine unausrottbare Illusion, dass das für die Bonner Kultur etwas Positives bringen könnte. Es hat nicht funktioniert, und es wird in Zukunft nicht funktionieren. Das gilt für Theater und Oper gleichermaßen.

GA: Was wollen Sie gegen die drohende Schließung unternehmen?

Tudyka: Wir werden Flugblätter verteilen, auf denen wir dem Theaterpublikum unsere Argumente darlegen. Das haben wir schon bei der Premiere von "Hedda Gabler" getan, die übrigens Tage vorher schon ausverkauft war. Ein klares Zeichen dafür, dass die Inszenierung auch gut beim Publikum ankommen wird. Vor weiteren Schritten werden wir die genaue Formulierung der Bürgerbefragung abwarten, die ja am 12. Januar starten soll.

Einecke-Klövekorn: Von den Mitarbeitern der Kammerspiele wissen wir aber, dass sie zurzeit schon ihre Protestaktionen konkretisieren. Zudem wollen wir die Bad Godesberger Wirtschaftswelt, die sozialen Institutionen und alle Kulturinteressierten mobilisieren, positive Stimmung erzeugen und eine Koalition auf breiter Basis schmieden. Wir wollen unter anderem einen Runden Tisch organisieren.

GA: Und wenn das nicht reicht?

Tudyka: Dann werden wir prüfen, ob ein Bürgerbegehren möglich ist.

Zur PersonKurt P. Tudyka, geboren in Oberschlesien, war bis 1992 Professor für Politische Wissenschaften an der Universität von Nimwegen und ist seit 1993 Gastprofessor an der Universität Osnabrück und an verschiedenen anderen Universitäten. 2006 initiierte er den Initiativkreis pro Kammerspiele, der sich 2007 in die Freunde der Kammerspiele e.V. umwandelte. Der 72-Jährige lebt seit zehn Jahren in Bad Godesberg.

Elisabeth Einecke-Klövekorn ist Stellvertreterin Tudykas und seit 2000 Vorsitzende der Theatergemeinde Bonn. Sie studierte Germanistik, Romanistik, Sprachwissenschaft, Kunstgeschichte in Bonn, Florenz und Toulouse. Seit 1993 hat sie einen Lehrauftrag für Medienpraxis am Germanistischen Seminar der Universität Bonn mit Schwerpunkt Theater. Sie ist Buchautorin und freie Journalistin.

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