"Achäologie im Rheinland" im Landesmuseum Kurioses Attribut von Männlichkeit

Bonn · Wer sonst, wenn nicht die Wissenschaftler des Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland berührt eine so umfassende Themenwelt und so weite Zeiträume? Von immerhin 400 archäologischen Initiativen war jetzt auf der Tagung "Archäologie im Rheinland - Ausgrabungen, Forschungen und Funde 2012" im LVR-Landesmuseum die Rede.

Und sie handeln von der "bodenbewohnenden Tierwelt" vor 315 Millionen Jahren über alle Erdzeiten und historischen Epochen hinweg bis zu den Relikten des Kalten Krieges in jüngster Vergangenheit.

Eine der Grabungen, nämlich im fortschreitenden Braunkohletageabbau Garzweiler, förderte einen aussagekräftigen Fundkomplex der frühen Neuzeit ans Licht. Geborgen wurde er im Abbruch des ehemaligen Rittergutes Haus Pesch, das über einer Kleinburg mit zentralem Wohnbau und Nebengebäuden errichtet und 1586 während des Kölnischen Krieges zerstört worden war. Die Funde aus einer alten, das Gut umgebenden Grabenfüllung liefern nicht nur die Datierung in das 15. und 16. Jahrhundert, sondern auch einen Einblick in das Alltagsleben des rheinischen Niederadels.

Diesem feuchten Fundort verdanken organische Objekte, die sich unter anderen Bedingungen zersetzen müssten, ihren Erhaltenszustand. Aus dieser Grabung haben die Archäologen zwei aufwendig restaurierte Schuhe zum eigens präsentierten "Fund des Monats" erkoren. Diese Schuhe, ein Kinder-Vollholzschuh und ein Schlüpfschuh mit Lederspann über einer Holzsohle, muten erstaunlich modern an. Man würde ihn heute als "Clog" bezeichnen.

Dass die Herren des Gutes sich gehobenes Alltagsgerät gönnten, verraten in einer Sonderschau des Landesmuseums zum Beispiel ein Messinglöffel mit Löwenkopf, Siegburger Trichterhalskrüge und insbesondere Fragmente feinster Gläser in venezianischer Art. Ob der durchlochte Scherztrinkkrug mit dem Schelmengesicht von ihnen oder von ihrem Gesinde genutzt wurde, lässt sich nicht enträtseln.

In jedem Fall blieben den Bediensteten zu den Mahlzeiten nur einfache hölzerne Schüsseln, Schalen und Löffel, die gleichermaßen in jenem Graben und in Latrinen überdauert haben. Kugeln, Geschosse und Dolche - unter ihnen ein eiserner "Hodendolch" als kurioses Attribut von Männlichkeit - erzählen vom Krieg; Sporen, Steigbügel und Huf bezeugen die Reiterei auf Haus Pesch. Kämme, Scheren und Fingerhüte führen in die Welt der Frauen. Mit einer Netznadel werden sie Haarnetze gefertigt haben.

Das bewährte Jahrbuch "Archäologie im Rheinland" bündelt die Grabungs- und Forschungsergebnisse des vorletzten Jahres, also 2011, wiederum von der Erdgeschichte bis in die aktuelle Neuzeit. Aber nicht nur dies: In einem zweiten Teil feiert es Geburtstag, "25 Jahre Archäologie im Rheinland", und liefert auf gut 200 Seiten "Rückblick und Ausblick".

LVR-Landesmuseum bis 28. Februar; Di - Fr und So 11 - 18 Uhr, Sa 13 - 18 Uhr; Jubiläumsjahrbuch 34,95 Euro.

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