Maler müssen mutig sein Kunstmuseum Bonn zeigt die großartige Schau "Jetzt!"

Was drei junge Künstler über Kunst denken, wird in der neuen Schau des Kunstmuseums Bonn und drei weiterer Häuser offenbart. Die so oft totgesagte Malerei ist heute vital, vielseitig und kontrovers, meint unser Autor.

Kunstmuseum Bonn zeigt die Schau "Jetzt!"
Foto: Benjamin Westhoff

Man kann das Thema natürlich radikal abkürzen, wie die Dresdner Malerin Lydia Balke es tut, wenn sie meint: "Wenn's zur Malerei was zu sagen gibt, dann ist die Malerei scheiße." Dabei gäbe es zu ihren anspielungsreichen, aggressiv aufgeladenen, perfekten Bildern und ihrem aus der Zeit gefallenen, brutalen Realismus sehr viel zu sagen. Wie lieb dagegen Jens Einhorns Statement: "Ich will von meiner Kunst überrascht werden." Und wie herzig, wenn Sebastian Gögel sagt: "Ich glaube, Kunst macht die Welt besser. Träumerei ist Widerstand. Malerei ist Mensch sein."

Drei Meinungen, drei Künstler von insgesamt 53, die in der Ausstellung "Jetzt! Junge Malerei in Deutschland" parallel im Kunstmuseum Bonn, in Chemnitz und Wiesbaden zu sehen sind - als Quintessenz einer jahrelangen Recherche zur Malerei der unter 40-Jährigen in Deutschland. Es gab eine von Kennern der Szene aufgestellte Liste von 200 Nominierten. Sieben Kuratoren aus drei Museen besuchten dann rund 100 Ateliers. Am Ende entschied man sich für 53 Positionen und Künstler, die mit jeweils mehreren Arbeiten in den drei Häusern zu sehen sind.

Die Hamburger Deichtorhallen übernehmen einen Teil der Bilder für eine spätere, zusammenfassende "Jetzt!"-Schau. Das Kunstmuseum Bonn zeigt insgesamt 177 Werke auf 3500 Quadratmetern in 26 Räumen, eine beachtliche Präsentation, für die die gesamte Ausstellungsetage einschließlich ständiger Sammlung geräumt wurde. Für das Bonner Haus, das sich auf der Basis der klassischen Moderne und August Macke als Malereimuseum definiert, ist "Jetzt!" ein ganz großer Wurf. Noch nie wurde eine derartige Bestandsaufnahme präsentiert: ein Querschnitt ohne thematische oder konzeptuelle Vorgabe, ohne den Anspruch, einen Zeitgeist oder -stil herauszupräparieren.

Das Ergebnis ist unglaublich spannend und für den Bonner Museumsgänger eminent erhellend. Kommen doch durch "Jetzt!" Positionen und Inhalte ins Haus - insbesondere politische, realistische und figurative Malerei -, die bislang dem Gusto der Bonner Direktoren und Kuratoren entsprechend eher unterrepräsentiert waren.

Das räumt auch Intendant Stephan Berg (neben Christoph Schreier Kurator des Bonner "Jetzt!"-Parts) ein, der nicht mit jeder Position einverstanden war, vom gewaltigen, heterogenen Panorama aber ähnlich begeistert ist, wie es das Publikum wohl sein wird. Ein sehr weites Feld, das von zeichnerischen, skripturalen und abstrakten Bildsprachen bis zum drastischen Realismus reicht, außerdem von der duftig-farbsatten Malerei bis zur handfesten Provokation. Das Angebot der 53 Malerinnen und Maler oszilliert sehr schön zwischen Pathos und Ironie, offenbart die Chuzpe einer Generation, die sich gleichermaßen unbekümmert aus dem großen Fundus der Malerei bedient wie auch souverän mit dem Repertoire der neuen Medien umgeht. Wirklich Neues zu erfinden, gibt es da nicht. Das zeigt auch die Bonner Schau. Die Virtuosität der Aneignung und des Vortrags gibt den Ausschlag.

Und da leidet man mit Alexander Pröpster aus Amberg, der das Drama seines entlaufenen Hundes Pavel, die Suche nach dem Tier, wandfüllend Weiß auf Schwarz dokumentiert. Pavel blieb übrigens verschollen. Der Cottbusser David Lehmann malt einen traurigen Polit-Porno mit süffigem Sarkasmus mitten in die ostdeutsche Tristesse. Genial analysiert der Berliner Moritz Neuhoff, Meisterschüler von Cornelius Völker, die DNA des Abstrakten Expressionismus und simuliert den gestischen Pinselstrich mit einer geradezu virtuellen Bildsprache.

Der Hamburger Simon Modersohn, der unter anderem bei Werner Büttner studiert hat, fasziniert mit einer rätselhaften, melancholischen Bildwelt, die Vertrautes in irritierenden Perspektiven zeigt. Verstörende Räume öffnen sich auch in den virtuosen, im Geist von Hieronymus Bosch gemalten Wimmelbildern des in Frankfurt lebenden Schweden Hannes Michanek.

Zwischen der kühl-kalkulierten, geradezu aseptischen Erotik in den Bildern der Bonnerin Vivian Greven und dem an Daniel Richter erinnernden, provozierenden Gruppenporträt "The Dicks" des Berliners Moritz Schleime liegen in mehrerlei Hinsicht Welten. Aber gerade das macht den Reiz der Bonner Schau aus. Die so oft totgesagte Malerei ist heute vital, vielseitig und kontrovers.

Und das Panorama "Jetzt!" steckt voller Überraschungen: Die kräftigen, halbabstrakten Riesengemälde von Aneta Kajzer sollte man ebenso gesehen haben wie die zurückgenommene, meditative Malerei der in Köln lebenden Südkoreanerin Sumi Kim. Die in Düsseldorf arbeitende Sabrina Hauns-perg ist mit ihren fantastischen Schüttungen, Schlieren und Farbspuren ebenso ein Hingucker wie ihre Leipziger Kollegin Franziska Holstein mit ihren Tableaus vielfach geschichteter und übermalter monochromer Bilder.

"Maler müssen mutig sein", meint der Malereiprofessor Cornelius Völker. Das gilt auch für Kuratoren: Die des "Jetzt"-Projekts haben viel riskiert - und gewonnen.

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