Captain Jack und die Kettenreaktion Kunstmuseum Bonn zeigt Albert Oehlens Antimalerei

BONN · Man muss vielleicht ein Paar Takte der amerikanischen Death-Metal-Band Cannibal Corpse hören, die atemlosen, schrägen Gitarrenläufe und harten Tempowechsel erleben, um in die richtige Stimmung für Albert Oehlens Bilder zu kommen.

Albert Oehlen: "Captain Jack", 1997.

Albert Oehlen: "Captain Jack", 1997.

Foto: Kunstmuseum Bonn

"Hör dir Cannibal Corpse an und konzentriere dich auf die Patterns, die sie spielen, das wird dich in eine hübsche Trance versetzen", sagt Oehlen im Interview mit John Corbett, "das würde ich mit meinen Bildern auch gern erreichen, aber das habe ich nicht unter Kontrolle."

Befremdlich kühl und kulinarisch, geradezu minimalistisch wird im Kunstmuseum Bonn Oehlens provokante Antimalerei präsentiert - auf ausdrücklichen Wunsch des Künstlers, der das angekündigte Bilder-Tableau auch noch von 45 auf 37 Gemälde reduzierte. Keine Angst: Der einstige "Junge Wilde" der 1980er Jahre ist aber deswegen nicht milde geworden, wie gerade auch die ganz neuen Arbeiten beweisen, die Oehlen extra für die Bonner Schau im Baskenland gemalt hat.

Das Kunstmuseum zeigt nun in seiner fulminanten Malerei-Reihe, in der zuletzt Philip Guston, Robert Ryman und Raoul de Keyser vorgestellt wurden, den heute 57 Jahre alten, in Krefeld geborenen, in der Schweiz und in Spanien lebenden Oehlen. In den 80er Jahren gab er gemeinsam mit Werner Büttner, Georg Herold und Martin Kippenberger und einer frechen, anarchischen, emotional aufgeladenen Malerei der deutschen Kunst einen unglaublichen Energieschub.

Die internationale Szene entdeckte damals die "Jungen Wilden" aus Germany. "Bevor ihr malt, mach ich das lieber", hieß selbstbewusst und vielleicht etwas anmaßend Oehlens erste Ausstellung 1981 in der Stuttgarter Galerie Hetzler. Da hatte Oehlen gerade sein Studium in Hamburg begonnen. Die Bonner Ausstellung überspringt die ersten wilden Jahre, in denen es Kooperationen mit Kippenberger und Co. gab und Oehlen seine "postungegenständliche" Malerei entwickelte.

Die Schau setzt in den späten 1980er Jahren ein, mit geradezu schmutzig zugemalten Leinwänden, auf denen tropfende Farbschlieren die letzten Reste von Gegenständlichkeit aus dem Bild treiben. Bald steigert sich die Malerei zu einem vollkommen unübersichtlichen, komplex geschichteten Gewirr von Farbakzenten, die gewischt, getropft, gestrichen einander überlagern. Ein pulsierendes, koloristisch aufgeheiztes Tohuwabohu ohne Zentrum und Richtung. Mit einem Blick ist nicht zu erfassen, was in so unterschiedlichen Bildern wie "Born" und "Captain Jack", beide von 1997, passiert. Oehlens Bilder wollen gelesen werden.

Das Großformat "Born" zum Beispiel hat er links oben mit einer leichten, türkis-weißen Farbwolke begonnen und sich dann in der Diagonale abenteuerlich weiterentwickelt, immer wieder übermalt, kleinteilige wunderbar lebendige Inseln geschaffen, die nur mühsam durch größere Formen verklammert und gleichsam daran gehindert werden, aus dem Bild zu purzeln oder geschossen zu werden. Oehlen spricht von Kettenreaktionen.

Viel kühler dann "Captain Jack", ein fantastisch übermalter und veränderter Tintenstrahl-Druck, oder, ebenfalls 1997 entstanden, eine Serie von schwarzen Computermustern auf weißem Grund. Von der malerischen Opulenz schwenkt Oehlen zur Askese, vom Gegenstandsbezug in die Abstraktion. Der fortwährende Stil- und Themenwechsel, der heftige Widerspruch gehören zur Methode des Skeptikers, der sich nicht festlegen will. Man folgt ihm gerne auf seinen abenteuerlichen Exkursionen. Und genießt das Malerei-Mekka Bonn: Mit Oehlen im Kunstmuseum und gegenüber in der Bundeskunsthalle mit Warhol, Basquiat und Clemente. Toll!

  • Kunstmuseum Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 4; bis 3. Juni. Di-So 11-18, Mi 11-21 Uhr.
  • Eröffnung: Mittwoch, 20 Uhr.
  • Katalog (Hatje-Cantz) 29 Euro
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