Arp Museum Kunstkammer Rau zeigt 50 Porträts aus 500 Jahren

Remagen · Die Ausstellung "Schau mich an!" zeigt in der Kunstkammer Rau Werke von 46 verschiedenen Künstlern. Ein Besuch lohnt sich.

 Intensiver Blick: Cornelis van Dongens "Mädchen im Matrosenanzug (Dolly van Dongen)", 1912-1913.

Intensiver Blick: Cornelis van Dongens "Mädchen im Matrosenanzug (Dolly van Dongen)", 1912-1913.

Foto: Museum

Im Jahr 1760 ist der Maler Jean-Baptiste Greuze frisch verheiratet und ebenso frisch verliebt. Seine junge Frau Anne-Gabrielle porträtiert er als naiv-sinnliche Schönheit im Überschwang der Gefühle. Ihren zur Seite gewandten Blick, die geöffneten Lippen, die porzellanfarbene Haut mit den erröteten Wangen und das weite Dekolleté. Dass die Buchhändlerstochter ihren lockeren Lebenswandel jedoch auch nach der Ehe fortsetzt, dass die Eheleute sich bald ausgiebig streiten und schließlich 1793 geschieden werden, hätte Greuze bei diesem frühen Porträt seiner Liebsten sicher nicht geahnt. Sie sei "eine der gefährlichsten Kreaturen auf Erden" lautete das Urteil eines engen Freundes, der sogar hoffte, "dass der Kaiser sie eines Tages nach Sibirien schicken" werde.

Das wunderbare Porträt der Anne-Gabrielle Greuze gehört heute zur Sammlung Rau im Arp Museum und ist dort ab sofort in der exzellenten Ausstellung "Schau mich an! Porträts seit 1500" zu sehen. 50 Bildnisse von 46 verschiedenen Künstlern hat Kuratorin Susanne Blöcker zusammengetragen, nach Themen geordnet und viele Hintergründe und Geschichten recherchiert. Deshalb lohnt es sich auch unbedingt, den handlichen Katalog direkt mit in die Ausstellung zu nehmen und darin zu lesen. Mit der ein oder anderen zusätzlichen Information über die Porträtierten darf man sich dann der Versuchung hingeben und eigene psychologische Studien zu den Gesichtern auf den Bildern anstellen. So wie bei Madame Greuze, bei der man ahnt, dass ihre Ehe kein gutes Ende nehmen wird.

Am Ende des Rundgangs wird man außerdem das Gefühl haben, neben ihr noch vielen anderen Menschen begegnet zu sein. Zum Beispiel dem Maler Jaques-François Delyen, der sich um 1710 lässig mit Pinsel und Palette darstellt, oder dem alten, fast erblindeten Edgar Degas in seinem letzten Selbstporträt. Lucas Cranach der Ältere gab dem Holofernes, dessen Kopf Judith triumphierend in der Hand hält, 1525 seine eigenen Gesichtszüge und die Bologneser Malerin Elisabetta Sirani porträtierte sich um 1659 selbst als Allegorie der Musik. Mit dem Gruppenporträt von Willoughby Bertie, seiner Frau, ihren sechs Kindern und der Amme lernen wir eine englische Adelsfamilie des 18. Jahrhunderts kennen. Die aufkeimende Romantik erlaubt die Darstellung von Gefühl und familiärer Bindung.

Auch einige Zeitgenossen findet man unter den Selbstporträts. Klaus Rinke etwa, der sich 1970 seinem eigenen Bild verweigert, indem er die Hände vors Gesicht hält. Oder Karl Otto Götz, der den Topos der mittelalterlichen Vera-Ikon-Darstellungen aufgreift und sein Gesicht fünfmal in die Oberfläche eines Keramikwürfels gedrückt hat. Allen Porträts aus der hochkarätigen Sammlung Rau ist ihre unmittelbare Wirkung auf den Betrachter, die Lebendigkeit in der Darstellung gemeinsam. Egal, ob es sich um eine kritische Selbstreflekxion des Künstlers oder die Zurschaustellung von sozialem Status handelt. Übrigens darf der Ausstellungsbesucher sich zwischendurch auch selbst begegnen. Zwei Spiegel geben dazu reichlich Gelegenheit und fordern sogar: Schau mich an!

  • Arp Museum Rolandseck, Remagen, bis 4. Mai 2014. Di-So 11-18 Uhr, Katalog 24,40 Euro
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