Bonner Frauenmuseum Kunst und Politik - Ausstellung zeigt das Projekt "Single Moms"

BONN · Auf einen Wandteppich gebannt sind scharenweise Frauengestalten, die mit Kind und Koffer offenbar die Flucht angetreten haben. Das scherenschnittähnliche Mosaik von Ulla Schenkel setzt den sich multiplizierenden Musterfall "Aufbruch massenhaft" schlicht und themennah in Szene.

 Bunte Pracht: Hella Grosses Bild der "Hererofrauen" von 2009.

Bunte Pracht: Hella Grosses Bild der "Hererofrauen" von 2009.

Foto: Franz Fischer

Gemeinsam mit der Wuppertaler Hochschulkraft widmen sich derzeit rund vierzig Künstlerinnen den Schicksalen, Befindlichkeiten, Belastungsproben, Konflikten oder Lichtblicken des mitnichten neuen Phänomens "Single Moms". Geboten wird eine komplexe, Fragen aufwerfende Sozialstudie, die mit den Projektrubriken "Historie" (Kuratorin Bettina Bab), "Kunst (Regie: Marianne Pitzen) und dem ebenfalls von Geschichtswissenschaftlerin Bab betreuten Sektor "International" verflochten ist.

Schon biblische Episoden sowie Stoffe der antiken Mythologie berichten über "Alleinstehende Mütter und deren Lebenswelten" (Untertitel). Mythenforscherin Julitta Franke beschwört etwa in ihren bildlichen Darstellungen das Los einer Demeter und Leto. Christine Theile folgt in ihrer albtraumhaften Seelenlandschaft der Dramatik der von Abraham auf einer Wüstenwanderung im Stich gelassenen Sklavin Hagar.

Von hier aus schlägt das eindrucksvolle und horizonterweiternde Teamprojekt des Frauenmuseums Bonn den Bogen zu den rheinischen Matronen, zur Jungfrau Maria, historischen Persönlichkeiten wie Marie-Elisabeth von Humboldt, Marie Curie und endet chronologisch bei Celebrities der Gegenwart (Hannelore Hoger, Doris Lessing) . Die Belletage ist bestückt mit dokumentarischen Einblicken in verheerende Schicksalsläufe von mit Kindern behafteten Kriegswitwen und schwangeren Soldatenbräuten.

Herausragend ist eine Vergegenwärtigung (Malerin Hella Grosse, Fotokünstlerin Nana Grosse-Woodley) des ersten afrikanischen Frauendorfes "Umoja" (Kenia), begründet von Rebecca Lolosoli. Einen weiteren Schwerpunkt der Sparte "International" bilden unter die Haut gehende Informationen zu den Themen Vergewaltigung, Teenagerschwangerschaften, Prostitution, Adoptionsmarkt.

In einer mythisch-archaischen Inszenierung vertieft sich Direktorin Pitzen in die Reichweiten des Zentralmotivs "Wasser". "Verlassen, verraten, Armut, Alleinsein, Würdeverlust und ein steiniger Weg", so die Quintessenz einer einprägsamen Inszenierung von Marlene Leal da Silva- Quabeck.

Unter dem Motto "Time Lag" protestiert das engagiert provokante Trio "Bald Girls" gegen Chinas patriarchalisch orientierte Sozialpolitik. Ein pulsierender Mix von Kunstgenres steht Pate für eine weitgreifende Revolte, die sich nicht nur gegen lokale Folgeerscheinungen wie Zwangssterilisation, Abtreibung und Mädchenhandel richtet.

Die "Schwere des Alleinerziehenden Daseins" (Ulla Zenner) aus europäischer Perspektive belichten eine Vielfalt von szenischen Figurationen, Porträtstudien (Margit Goeltzer), Skulpturen, Piktogramme (Inna Rust), Fotosequenzen und Installationen. Besonderen Charme strahlen das von Theile skizzierte "Adieu" einer Françoise Gilot (die nach zehn Jahren dem Macho Picasso den Rücken kehrt) sowie das von Mo Kleinen parodierte Märchen vom "Rotkäppchen" aus.

Wie austauschbar und flexibel das Modell der alleinerziehenden Mutter sein kann, projizieren die Diskurse der Malerin Tremezza von Brentano. Die psychischen Auswirkungen von vielfach eingleisiger Kindererziehung loten derweil Malerin Barbara Kroke sowie ein anrührender Kuscheltierteppich von Monika Stubig aus.

Info

Frauenmuseum, Im Krausfeld 10, bis 9. November. Di - Sa 14 bis 18 Uhr, So 11 bis 18 Uhr. Katalog, Teil 1, 15 Euro

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