"Westwind-Podium" in der Brotfabrik Künftige Schauspielchefin Nicola Bramkamp reicht freier Szene die Hand

BONN · Im ganzen Land spricht man derzeit von einer Theaterkrise. Nicht etwa einer künstlerischen, sondern einer finanziellen. Einsparungen allerorten, über die verbliebenen Mittel dürfen sich dann Stadttheater, freie Szene und oft, wie in Bonn, auch noch der Sport streiten. Dennoch trug das von WDR 3 aufgezeichnete kulturpolitische Gespräch, das nun im Rahmen des Kinder- und Jugendtheaterfestivals Westwind in der Brotfabrik stattfand, den Titel "Krise als Chance".

Gespräch in der Brotfabrik: (von links) Michael Schmitz-Aufterbeck, Bettina Milz, Martin Schumacher, WDR-3-Moderatorin Dorothea Marcus, Nicola Bramkamp und Henning Fülle.

Gespräch in der Brotfabrik: (von links) Michael Schmitz-Aufterbeck, Bettina Milz, Martin Schumacher, WDR-3-Moderatorin Dorothea Marcus, Nicola Bramkamp und Henning Fülle.

Foto: Thomas Kölsch

Lieblingsschlagwort: Synergien. Diese könnten tatsächlich entstehen - wenn alle Akteure gleichberechtigt mitmachen. Die zukünftige Schauspieldirektorin des Theater Bonn, Nicola Bramkamp, hat bei ihrem ersten öffentlichen Publikumsauftritt in der Bundesstadt zumindest den ersten Schritt getan und offen die Hand zum Gespräch ausgestreckt.

"Zunächst einmal ist es wichtig, dass wir miteinander reden", sagte die 34-Jährige, die derzeit als Dramaturgin am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg ist, als Mitbegründerin eines eigenen Ensembles und ehemalige Projektleiterin des Theaterfestivals "Impulse" aber auch die Bedingungen der Freie Szene gut kennt.

Über den Weg der Inhalte hofft sie letztlich auf eine "Liebesheirat" und ein gemeinsames Arbeiten aller etablierten Akteure der darstellenden Künste. "Ich will hier keine Strukturen zerstören, sondern mit ihnen kooperieren", erklärte Bramkamp. Ein schöner Gedanke, mit dem sie auch im Publikum viele Sympathien sammelte - doch nicht alle waren überzeugt.

Allen voran Henning Fülle: Der freie Dramaturg aus Berlin, der ebenfalls zu der Talkrunde eingeladen worden war, hatte sich offenbar die Rolle des advocatus diaboli gesucht und bezweifelte, dass eine Zusammenarbeit möglich sei. "Ich bin der Überzeugung, dass die Strukturen von Stadttheatern und Freier Szene grundsätzlich inkompatibel sind", sagte er unter heftigem Widerspruch und plädierte für ein jedem Ensemble offen stehendes Produktionshaus, wie es derzeit etwa in Frankfurt existiert.

Ginge es nach Fülle, könnte ein derartiges Projekt gar die großen Häuser ersetzen. Doch daran zweifelten viele - unter anderem Bettina Milz, Referatsleiterin Tanz und Theater im NRW-Kultusministerium. Auch sie weiß um ihre Stärken und Schwächen der Freien Szene und sprach sich daher deutlich für eine konstruktive Zusammenarbeit auf Augenhöhe aus. Dass so etwas hervorragend funktionieren könne, zeige ja die Kinder- und Jugendtheaterszene, sagte sie. Damit sprach sie einen Aspekt an, der ansonsten - und das gerade beim Westwind-Festival - außen vor gelassen wurde.

Insgesamt ergab sich vor allem nach Ende der Radioaufzeichnung eine rege Diskussion zwischen Talkrunde und Zuschauern, die, von wenigen unrühmlichen Ausnahmen abgesehen, höflich und fair geführt wurde. Für die Theaterlandschaft in Bonn hat Kulturdezernent Martin Schumacher zwar versäumt, klare Ansagen zu machen, vor allem mit Blick auf die Finanzierung (zu der der Aachener Generalintendant und Sprecher der NRW Intendantenrunde Michael Schmitz-Aufterbeck den entscheidenden Satz sagte: "Mit Synergien kann man vieles erreichen, aber auf keinen Fall Geld sparen.")

Dafür gab aber Bramkamp erste positive Signale in struktureller Hinsicht, auch wenn sie nicht konkret werden konnte - das ist erst möglich, wenn sie auch dauerhaft vor Ort ist. Doch das Gesprächsangebot steht. Jetzt liegt der Ball bei der Freien Szene.

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