Bonner Arithmeum Kühle Geometrie und Emotion

Bonn · Ina Prinz, die Direktorin des Bonner Arithmeums, war wieder auf Kunst-Shoppingtour. Bei Auktionen und Kunsthändlern, bei Sammlungs-Auflösungen und Nachlassverwaltern, hauptsächlich in skandinavischen Ländern, aber auch in Italien. In der kommenden Woche steht eine Auktion bei Sotheby's in New York an. Da will Prinz mitbieten. Die Sammlung wächst: Das Arithmeum präsentiert Neuerwerbungen des Jahres 2012.

Die Direktorin des Bonner Arithmeums arbeitet daran, "einige Künstler kompletter zu sammeln", wie sie sagt. Gemeint ist damit, Vertreter der konstruktiv-geometrischen Kunst über größere Zeiträume zu verfolgen, Entwicklungen zu dokumentieren, zu zeigen, wo sie künstlerisch herkommen und wohin der Weg dann führt.

Der Stockholmer Olle Bærtling (1911-1981) etwa, der in den 50er Jahren mit kräftigen Keilen und Dreiecksformen bekannt wurde, hat zuvor eher expressiv gemalt. Prinz erwarb aus dieser Phase das Bild "Luzern"(1949), als Bærtling in Paris bei Fernand Léger studierte. Ein Jahr später lernte er Auguste Herbin kennen, dessen spitze Dreiecksformen den Schweden geprägt haben. Auch Herbin ist in der Sammlung vertreten. Sein Werk "Minuit" aus dem Jahr 1953 zählt ebenfalls zu den Neuerwerbungen des vergangenen Jahres und bietet sich wunderbar als Vergleich zu Bærtlings "Triangles, noir, vert, blanc" von 1954 an, das auch seit 2012 dem Arithmeum gehört.

Beziehungsgeflechte wie diese machen die Bonner Sammlung, die um die Kunst des Konstruktivismus und dessen viele Spielarten kreist, spannend. 50 Werke kamen im vergangenen Jahr hinzu. Zu sehen sind sie in der aktuellen Ausstellung des Arithmeums. Vertreten sind Puristen wie der deutsche Maler, Grafiker und Verkehrsplaner Walter Dexel, der Schwede Lars Erik Falk oder Mauro Reggiani, 1980 in Mailand gestorben. Bærtling gehört schon zu den Kräften, die die Bildgeometrie durch heftige Diagonalschübe dynamisieren. Die großartige Aurélie Nemours demonstriert, wie innerhalb des straffen Korsetts der gewöhnlich unterkühlten konstruktiv-geometrischen Kunst mittels einer subtilen Farbwahl wahre Emotions-Ausbrüche möglich werden. Oder in "Le Pierre au rouge" durch das oszillierende Zusammenspiel zweier Farben und Formen eine faszinierende Räumlichkeit entsteht.

Wie weit die Bandbreite der Sammlung reicht, zeigt auf der einen Seite das minimalistische Spiel von zarten Linien, die wie ein Fischgrätmuster angeordnet sind (Mario Nigros "Liebestraum", 1975), auf der anderen Seite KG Nilsons verspieltes "Metropolis", der schematisierte Blick auf eine Stadt aus der Vogelperspektive mit Hausdächern und Autos auf der Straße. Die Stadt wird zum bunten Muster.

Einer der Stars der Neuerwerbungen ist Victor Vasarelys komplex aufgebautes Bild "Hiloen" von 1958, das bereits erahnen lässt, wohin die künstlerische Reise gehen soll: Zur flimmernden Op Art. Auch ein Bild von Leon Polk Smith zählt zu den Höhepunkten. Das Werk gelangte nach der Smith-Ausstellung (2001/2002) als Geschenk ins Arithmeum, ähnlich wie ein Werk von Jo Niemeyer, der 2009 im Haus an der Lennéstraße zu sehen war. Dass die konstruktive Kunst kein abgeschlossenes Kapitel der Kunstgeschichte ist, zeigen Neuerwerbungen der jungen venezolanischen Künstlerin India-Serena (Jahrgang 1985), die in Paris lebt und arbeitet.

Und wie finanziert das Arithmeum diese Expansion der Kunstsammlung auf mittlerweile 450 Gemälde und über 1000 Lithografien? Da lächelt Ina Prinz nur, und Bernhard Korte, Direktor des Forschungsinstituts für Diskrete Mathematik der Universität Bonn, dem das Arithmeum angegliedert ist, schweigt diskret. "Unsere Philosophie ist, mit Sinn und Verstand und wenig Geld eine gehaltvolle Sammlung aufzubauen", sagt Korte. Das gehe nur, wenn man abseits des Mainstreams unterwegs sei, sich auf eine Kunstrichtung konzentriere, "und man muss den Markt sehr genau kennen und beobachten". Zu den Finanzen verrät Korte nur so viel: "Das Museum hat keinen Ankaufsetat."

Arithmeum, Lennéstraße 2; bis Juli. Di-So 11-18 Uhr.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Stunde der Sieger
Abschluss Deutscher Musikwettbewerb in Bonn Die Stunde der Sieger
Zum Thema
Aus dem Ressort