Helge Schneider im Kunst!Palast Krachende Rückkopplungen

BONN · Er kommt in einem großkarierten Clownsfrack auf die Bühne. Weil er aber an jenem Abend im voll besetzten Bonner Kunst!Palast kein Komiker sein will, der ein bisschen Musik macht, sondern ein Musiker, der ein bisschen komisch ist, zieht er das Kostüm auch sofort wieder aus.

 "Die Akustik hier is' ja nich'so doll": Helge Schneider im Kunst!Palast.

"Die Akustik hier is' ja nich'so doll": Helge Schneider im Kunst!Palast.

Foto: Horst Müller

Zum Vorschein gelangen ein hellbrauner Cordanzug und ein weißes Rüschenhemd, sowie ein überdimensionales Einstecktuch, das wie aus einem Achtziger-Jahre-Trainingsanzug herausgeschnitten wirkt. Eine allzu vertraute Garderobe. Überhaupt gerät der Abend überraschungsfrei, wie noch darzulegen sein wird.

Sein Adlatus Bodo Oesterling serviert ihm den ersten "Theatertee", dem Vernehmen nach handelt es sich um Leitungswasser, und dann eröffnet Helge Schneider, der ewige Gegenentwurf im zeitgenössischen deutschen Entertainment, den "bunten Sommerabend mit Musik und Quatsch", so der Untertitel seiner "With Love In My Fingers"-Tournee.

Gleich das erste Lied ("Katzeklo") evoziert vereinzelte Freudenschreie im dustren Festzelt, in welchem wirklich niemand zu frieren braucht. Schneider offenbart einen ausgeprägten Hang zu ruppig krachenden Rückkopplungen, die er vorsätzlich und wiederholt mit seinem Mikrofon erzeugt, indem er das Kabel herausreißt.

"Hier is' Bonn, ne? Bad Godesberch, Adenauer", murmelt Schneider feixend vor sich hin. "Nachher is' mir Bonn sympathisch geworden durch Ludwig Erhard, den ich gut zeichnen konnte. Und durch das Autobahnkreuz." Ach ja. Der entrückte liebenswürdige Chaot mit diesem skurrilen Humor, der ganz und gar köstlich vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt. Es war einem zwischenzeitlich entfallen, von welchem Hype der Mann aus Mülheim an der Ruhr immer noch zehrt.

Der 57-Jährige lacht sich jedenfalls ins Fäustchen: Die Leute kommen nach wie vor in Scharen. Helge ist eben Kult, nicht wahr? Nicht wahr. Aber das Etikett "Kult" wird seit jeher demjenigen entgegen gereckt, der in Schneider einen harmlosen Scharlatan erkennt, einen talentfreien Komiker und einen mittelmäßig begabten Jazzmusiker.

[kein Linktext vorhanden]Wiewohl: Das, was Schneider und seine handwerklich solide operierende Band abliefern, ist gefälliger Jazz, manchmal auf Easy Listening herunter chloroformiert, manchmal auf Hot Jazz hoch gepumpt, bisweilen auf gravitätisch moussierenden Cha-Cha-Cha gedimmt. Sandro Giampedro (Gitarren), Rainer Lipski (E-Piano), Kai Struwe (Kontrabass), Willy Ketzer (Schlagzeug) und Carlos Santa Cruz (Querflöte und Saxofone) reagieren geradezu bewundernswert auf das ermüdend sprunghafte Gesangsgebaren ihres Frontmannes.

Helge Schneider im Kunst!Palast
41 Bilder

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"Klassiker" aus dem Schaffen Schneiders wie "Es gibt Reis, Baby!" und "Telephonmann" wechseln sich mit Songs wie "Offenes Hemd" und "To Be A Man" vom neuen Album "Sommer, Sonne, Kaktus" ab, das am 9. August erscheint, was an dieser Stelle auch überhaupt nicht verschwiegen werden soll.

Für den Videodreh zur gleichnamigen Single ging es übrigens nach Andalusien, da ist es noch heißer als in der Bonner Rheinaue. Tipp von Schneider gegen die Hitze: "Dat is' wichtich bei dem Wetter: viel essen un' nix trinken." Riesengelächter im Festzelt. Tja. Wer da nicht mitlacht, der geht zum Lachen in den Keller. So einfach ist das.

Hin und wieder turnt ein Herr namens Sergej "Fuzzy" Gleithmann in frivoler Cowboymontur über die Rampe, und Gastsaxofonist Tyree Glenn junior stellt sein (für einen 73-Jährigen zweifellos beachtliches) Lungenvolumen ein wenig zu sehr zur Schau. Bevor der Jazz-Evergreen "Misty" von Erroll Garner interpretiert wird (man erinnert sich kurz und wehmütig an den superben Clint-Eastwood-Thriller "Play 'Misty' For Me"), mosert Schneider sogar an dem wunderprächtigen Kunst!Palast herum, sapperlot.

"Die Akustik hier is' ja nich' so doll. Aber die Veranstalter haben sich entschlossen, das hier drin zu machen. Weil's draußen regnet", fügt er sarkastisch hinzu. Und legt nach:"Draußen würd's sich bestimmt besser anhören." Hoppla. Klartext! Das lassen wir jetzt einfach mal so stehen.

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