"Ärztival" in Köln Kölner Doppelschlag an einem Abend

Bonn · "Wir woll'n die Hosen seh'n, wir woll'n die Hosen seh'n, wir woll'n...". Cut. Falscher Film. Die Truppe um Frontmann Campino spielt erst in zwei Wochen im Rhein-Energie-Stadion. Heute gehört der FC-Spielplatz den Ärzten.

Der anderen, zweiten Spaßrock-Band der Republik. Im gleichen Jahr gegründet und ebenfalls angetreten mit der Attitüde, Punk zu machen, teilen die Hosen und die Ärzte die Vorliebe für lustige Pseudonyme, ironische Texte und einen engen Kontakt zum Publikum. Und haben millionenfach Platten verkauft. Wer jedoch die "Beste Band der Welt" ist, daran herrscht für 35.000 Fans in "Hennes Stall" (O-Ton Ärzte) am Samstagabend kein Zweifel.

Seit dem späten Nachmittag haben The Damned, Triggerfinger und LaBrassbanda beim "ärztival" unter freiem Himmel ordentlich vorgeglüht und wenn um 20.24 Uhr der Schriftzug "Die Ärzte", aus goldenen Lichtpunkten auf schwarze Leinwand gestickt, aufleuchtet, bricht sich die Vorfreude in wildem Jubel Bahn. "Wie es geht" eröffnet einen zweieinhalbstündigen Konzertmarathon, die Setliste verzeichnet 24 Stücke und sieben Zugaben.

Blondschopf Farin Urlaub, Steh-Drummer Bela B. und Anzugträger Rodrigo González können auf ein Publikum vertrauen, das genau weiß, was als Nächstes kommt. "ZeiDverschwÄndung", wenn der Satz "Hast du nicht besseres zu tun, als die Ärzte zu hören?" fällt, "Unrockbar", wenn die Aufforderung zum Sit-In erklingt oder "Wir sind die Besten", wenn es ironisch heißt "Es ist fast dunkel, es ist fast das letzte Lied". Da stehen noch 90 Minuten Spielzeit aus.

Farin Urlaub und Bela B. flachsen in gewohnter Manier sich und das Publikum an ("Wir sind ja 'ne Band, die viel redet"). Gonzalez, obschon von den Kollegen zum "König der Nacht" ernannt, ist ein eher ruhiger Vertreter, der sich hier und da aber auch das Grinsen nicht verkneifen kann. Die Lautstärke fällt, wie erwartet, satt aus, klingt dabei aber nicht unangenehm krawallig.

"Ist das noch Punkrock?" lautet die in Liedform gestellte Frage, die sich nicht ohne Weiteres beantworten lässt. Im Repertoire gibt es Härtefälle ("Ignorama"), Kuschel- und Kussballaden ("Mach die Augen zu") und poppige Stücke ("Westerland"). Und natürlich solche Hymnen wie "Schrei nach Liebe". Das nimmermüde Kollektiv der Zuschauer ist ständig gefragt, beim Mitsingen, La-Ola-Welle-Machen oder Kleidungsstücke bei "Waldspaziergang mit Folgen" wie bunte Windräder über den Kopf kreiseln lassen.

Fachgerecht verarztet werden Cliquen, Paare, Freundinnen und Väter mit kleinen Söhnen oder Töchtern. Die Ärzte sind eine Spaßband für viele Generationen, für verliebte Mädels ("Ich will mit dir ins Bett, Bela!"), für Arbeitskollegen und die ganze Familie. Ist das jetzt noch ein Konzert? Oder eine riesige Party? Darüber möchte niemand streiten. Die Atmosphäre ist viel zu endorphingesättigt. Bei den Hosen, zwei Wochen später im Stadion, wird das ähnlich sein.

35.000 Fans gilt es zu toppen. Die Wette gilt. Andy Fairweather Low, der langjährige Tour-Sidekick von Eric Clapton, swingt, jazzt und rockt sich virtuos, freundlich aber auch unaufregend durchs Vorprogramm. Anerkennender Beifall für einen Auftritt, der in seiner unangestrengten Austauschbarkeit an das neue Album von Eric Clapton "Old Socks", eine Sammlung von angenehm groovenden Cover-Songs, erinnert. Um es vorwegzunehmen: Der Abend wird weit aufregender als es der Konzertauftakt vermuten lässt.

Clapton betritt mit achtköpfiger Band beiläufig grüßend die Bühne. In rotem Polohemd und hellen Jeans wirkt er, als käme er gerade von einem Grillnachmittag. Von seinem Rückenleiden, das ihn zwang, zwei Konzerte seiner Europa-Tour abzusagen, ist nichts zu merken. Das Konzert beginnt, wie Freund Andy Fairweather das Seine beendet hatte: wenig aufregend mit Akustik-Gitarre.

Beim dritten Stück, dem Derek & The Dominos-Klassiker "Tell The Truth", wird Clapton eine graue Stratocaster gereicht. Große Monitore zeigen, wie seine langen, schlanken Finger über das Gitarrenbrett schweben, um einzelne Töne zu jenem Thrill zu dehnen, der ihn aus der Reihe so vieler hervorragender Gitarristen hervorhebt.

Für solche Momente sind die alten und die vielen jungen Fans in die ausverkaufte Arena gekommen. Beim Bob-Marley-Cover "I Shot The Sheriff" fügt der einstige Gitarrengott dem swingenden Reggae ein überraschend sanft streichelndes Solo bei, das in einen leidenschaftlichen Gitarrenlauf übergeht. Eine weitere Sternstunde des Konzerts. Eifrige Roadies reichen Clapton einen Hocker und eine blaue Akustik-Gitarre, die er versiert für einen ruhigen Teil nutzt.

"Layla" unterlegt er mit einem leichten Swing, den Greg Leisz an der Steel-Pedal-Gitarre mit Wehmütigkeit aufkratzt. Wer Clapton vor drei Jahren mit Steve Winwood in Düsseldorf gesehen hat, erinnert sich wahrscheinlich, zu welcher Innigkeit er diesen Song ausmalen konnte. Ohne einen Freund wie Winwood, dem er sich verbunden fühlt, ist er immer noch gut, ja sehr gut.

Nach einem lockeren akustischen "Lay Down Sally" greift Clapton wieder zur elektrischen Gitarre. Zusammen mit seinem zweiten Gitarristen, Doyle Bramhall II, verschlingen sich die Gitarren zu wunderbaren gefühlvollen und treibenden Momenten. Robert Johnsons "Crossroads" wird durch einen jubelnden Chor unterstützt, bei "Little Queen of Spades" und J.J. Cales "Cocaine" taucht die Lightshow die große Bühne in einen blau-grün schimmernden Abend, der einen großen Musiker zu feiern scheint.

Ist es der letzte große Auftritt dieses Ausnahmekünstlers in Europa? Wie bei seinem Kollegen Bob Dylan könnte es auch eine Visite in einer "never ending tour" sein. Das bleibt zu hoffen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Daniel Johannes Mayr dirigiert das Beethoven
Neue Musik zwischen Wohnwagen
Beethoven Orchester im BaseCampNeue Musik zwischen Wohnwagen
Zum Thema
Aus dem Ressort