Temporäre Architektur Klingendes Luftschloss

Bonn · Am ersten Oktoberwochenende stellt das Beethovenfest ein „Pianodrom“ ins Poppelsdorfer Schloss. Intendantin Nike Wagner wünscht sich einen großen aufblasbaren Kammermusiksaal für das Festival.

 Hans-Walter Müller vor seinem Pianodrom im Innenhof des Poppelsdorfer Schlosses.

Hans-Walter Müller vor seinem Pianodrom im Innenhof des Poppelsdorfer Schlosses.

Foto: Barbara Frommann

Karl Czerny und die Einzelhaft am Klavier“ lautet ein ebenso griffiger wie provokanter Buchtitel der 2011 verstorbenen Kölner Musikautorin Grete Wehmeyer. Wer sich in seiner Kindheit am Klavier mit den Übungen aus der „Schule der Geläufigkeit“ des Beethoven-Schülers abplagen musste, weiß, worauf sie mit ihrem Buch anspielte.

Buchstäblich in Einzelhaft genommen werden nun auch ein paar Pianisten beim Beethovenfest. Und zwar im Innenhof des Poppelsdorfer Schlosses. Dort steht derzeit ein kegelförmiges Zelt, und in diesem Zelt ein Konzertflügel, der geduldig auf den ersten Spieler wartet. Der soll an diesem Samstag um 14 Uhr das „Pianodrom“ betreten, sich an den Flügel setzen und spielen. Ganz allein, denn das Publikum muss draußen bleiben. Man kann aber trotzdem zuhören und zusehen. Während man im Innenhof des Schlosses umherspaziert, klingt aus dem transparenten Zelt Musik von Beethoven und vielen anderen Komponisten.

Die Idee zu diesem dreitägigen Klaviermarathon, bei dem unter anderem die Pianisten Fabian Müller, Susanne Kessel und Kai Schumacher an den Start gehen, hatte Beethovenfest-Intendantin Nike Wagner. Sie ist ganz begeistert von den Arbeiten des Architekten, Bauingenieurs und Künstlers Hans-Walter Müller, der seit den 1960er Jahren für seine aufblasbaren Konstruktionen bekannt ist und selbst seit 1971 in Frankreich in einem Haus lebt, das wie seine anderen Werke die Form allein durch permanenten Luftdruck behält. Müller, der zum Aufbau des Pianodroms selbst nach Bonn gekommen ist, hat schon räume für Ausstellungen entworfen, arbeitete für Maurice Béjart und Salvador Dalí. Gerade erst wurde der 81-Jährige damit beauftragt, in Paris auf 1000 Quadratmetern eine große Stoffblase für eine Flüchtlingsanlaufstelle zu planen und zu errichten.

„Er hat seine berufliche Laufbahn als Zauberer begonnen“, erzählt Nike Wagner im Gespräch. Tatsächlich besitzen manche von Müllers Arbeiten eine magische Aura. Wenn es nach der Beethovenfestchefin ginge, wäre das „Pianodrom“, das bis zum 3. Oktober an Nachmittagen zwischen 14 und 18 Uhr bespielt wird, eine Art Versuchsballon für das größere Projekt eines Kammermusiksaales für 500 bis 600 Zuhörer.

Im Innenhof des Poppelsdorfer Schlosses wäre der Saal ausreichend gegen Umweltgeräusche abgeschirmt. Und die Akustik im Saal lasse sich, so Wagner, für Konzerte optimieren, zum Beispiel durch den Einsatz von Akustiksegeln. „Und nach dem Beethovenfest könnte man den Saal einfach wieder zusammenfalten.“ Einen Sponsor für den aufblasbaren Konzertsaal, dessen Baukosten Müller in einem schon sehr detaillierten Entwurf auf etwas mehr als eine Million Euro prognostiziert, hat Nike Wagner bislang noch nicht gefunden. Gerade für die Zeit, wenn das Beethovenfest wegen der anstehenden Sanierungsarbeiten auf die Beethovenhalle verzichten muss, wäre das in ihren Augen eine interessante Alternativspielstätte.

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