Kirchenkonzerte berühren die Besucher in Bonn

Verschiedenste Interpretationen sorgten für volle Reihen

Kreuzkirche. Auch der kompromissloseste Klezmer-Musiker wird eines ihm neidlos zugestehen müssen: Ohne seinen unermüdlichen Einsatz für diese sehr spezielle "Sprach der Seele" wäre die Renaissance des Klezmer undenkbar gewesen.

Zudem ist es einzigartig, wie er sein Instrument - mit einem eigens entwickelten Mundstück - beherrscht. Und schließlich wird man Giora Feidman nur schwer vorwerfen können, er ruhe sich auf seinen Lorbeeren aus.

Keines der von ihm betriebenen mannigfachen Projekte hat ästhetisch Patina angesetzt. Der 1936 als Sohn jüdisch-moldawischer Einwanderer in Argentinien geborene Feidman ist mit seinem ganz persönlichen "Jewish Soul" der Archetypus eines musikantischen Weltbürgers.

In der bis auf den letzten Platz gefüllten Kreuzkirche war Feidman mit dem Gershwin Quartett, einem der russischen Schule entstammenden Streichquartett um den Primarius Michel Gershwin, zu Gast mit teilweise arrangierten Werken der Moderne von Peter Breiner, Gil Aldema, Ora Bat Chaim, George Enescu, Sergej Abir, Sulchan Zzintzadze, George Gershwin und Boris Pigovat.

Sein Publikum nahm Feidman im Sturm. Zwischendrin immer wieder "geflüsterte Gebete" auf Klarinette und Bassetthorn, die, schaute man in die Gesichter der Zuhörer, tief zu berühren schienen. (Fritz Herzog)

Stella Rheni. "Denn das Ganze muss gefallen": Diesem Titel blieb das Konzert im Kuppelsaal der Stella Rheni nichts schuldig. Mut, Leidenschaft und beachtliches Können zeigten die Teilnehmer der Mozart-Werkstatt, die von "Ludwig van B.", dem Netzwerk für musikalische Jugendarbeit in Bonn, organisiert worden war.

Die Jugend singt nicht? Es gibt Gegenbeispiele. Marius Mik zum Beispiel. Der 16-Jährige fühlte sich in Leporellos Auftrittsarie hörbar wohl, sang kontrolliert, riskierte aber auch den Schritt ins Szenische. Oder Jule Göttsche, die das Lied von der "Kleinen Spinnerin" leicht und ohne Scheu vortrug.

Oder Kim Fugenzi, die bravourös die raschen Gefühlswechsel in "Als Luise die Briefe ihres untreuen Liebhabers verbrannte" gestaltete. Vier Tage hatten Dirigent Sebastian Breuing und Gesangspädagogin Kerstin Hövel mit den Nachwuchstalenten gearbeitet.

Das Resultat konnte sich hören lassen. Eindrucksvoll, wie Scarlett Pulwey oder Christine Heßeler sich in Zerlina oder Blondchen verwandelten, Konrad Eilers den Guglielmo gab und Nico Heinrich den Don Ottavio in Szene setzte. Eine bühnenreife Vorstellung gelang Frederik Schauhoff mit der berühmten Registerarie. (Mathias Nofze)

Altes Wasserwerk. Gitarrist Biréli Lagrène hätte sich seinen Auftritt im Alten Bonner Wasserwerk kaum besser denken können: er fiel haargenau auf den 100. Geburtstag seines großen Vorbildes Django Reinhardt, dem Gypsy-Gitarristen schlechthin, als dessen legitimer Nachfolger der 43-jährige Franzose von der Fachpresse gehandelt wird.

Biréli Lagrène stand Jürgen Attich am Kontrabass zur Seite, zusammen boten beide Musiker dem Bonner Publikum ein Hochgenuss an spielerischer Brillanz, Virtuosität und Improvisationsvermögen.

Dem Motto "A Tribute to Django Reinhardt" folgten die beiden Instrumentalisten nicht ganz. Neben bekannten Klassikern ("Nuanges", "Minor Swing") der großen Gypsy-Ikone stellte das Duo auch einige Jazz-Standards, lateinamerikanische Stücke und Pop-Songs vor. (Wolfgang Schneider)

Lukaskirche. Mehr als vierzig Mal wurde im Konzentrationslager Theresienstadt die Kinderoper "Brundibár" von Hans Krása aufgeführt, von Kindern und Jugendlichen, auf die der sichere Tod wartete. Sich die Gefühlswelt der Beteiligten vorzustellen, scheint kaum möglich.

Der Komponist David Graham hat es dennoch versucht und daraus, als Auftragswerk des Philharmonischen Chores, eine Jugendoper gemacht. "Die Mädchen von Theresienstadt" wurde jetzt in der Lukaskirche uraufgeführt. Protagonisten sind zwölf Mädchen (Libretto von Kerstin Baldauf), die sich ein Zimmer teilen müssen. Zunächst unwillig reagieren sie auf einen Neuankömmling.

Helga, die Neue, ist unsicher, verstört. Man hört es aus der schattenhaften Musik des Ensembles aus Schlagzeug, Klavier, Cello und Akkordeon (Leitung: Thomas Neuhoff) heraus. Ängste, Hoffnungen, aufkeimende Liebe, Lieder, Spiele - all das fängt Graham in ariosen Soli und Chören ein, die meisterhaft auf das Können fortgeschrittener und weniger fortgeschrittener Jugendlicher zugeschnitten sind.

Die Musik illustriert nicht das Grauen, sondern umkreist es mit sparsam gesetzten Effekten, mit klanglichen Chiffren, lyrischen Partien, plastischen Chören (ausgezeichnet: die Solisten des Jugendchores der Evangelischen Lukaskirche und ein Extrachor aus diversen Schulen der Region) und einem anrührenden Auftritt eines Jugendorchesters.

Beklemmend wirkt der Chor, in dem die verängstigten Mädchen nach der Mutter rufen, geradezu drastisch die Szene, in der ein SS-Scherge zwei Mädchen abholt. Hoffnungsschimmer bildet die geplante Aufführung von "Brundibár".

Hoffnung keimt auch auf einer zweiten Spielebene auf. Dort treffen zwei Überlebende aus den Reihen der Mädchen, nämlich Helga (Ingrid Schmithüsen) und Flaska (Kerstin Baldauf) zusammen. "Wir müssen gegen das Vergessen kämpfen", sagt Flaska. Die nächsten Aufführungen: 25. und 29. Januar, 19 Uhr. (Mathias Nofze)

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