Geburtstag Kein Platz für Helden

Bonn · Der Maler und Bildhauer Markus Lüpertz wird heute 75 Jahre alt. Er macht es sich und seinem Publikum nicht leicht: Sein Bonner Beethoven erregte die Gemüter.

 Der Künstler Markus Lüpertz steht vor seiner Bonner Beethoven-Skulptur.

Der Künstler Markus Lüpertz steht vor seiner Bonner Beethoven-Skulptur.

Foto: picture alliance / dpa

Er ist ein Mann der vielen Gesichter. Wenn Markus Lüpertz gewissermaßen die Hofnarrenkappe auf dem Kopf trägt, gibt er den ultrakonservativen Kulturbürger, der vorm Niedergang der Kunst warnt, den Provokateur, für den zeitgenössische Kunst bloß Design ist. Die heutigen Künstler können nichts, und das schicke Kunstvolk merkt es nicht, so die These. Das wahre Kunstgenie sei er, Lüpertz, ist kostümiert wie ein Dandy, spreizt sich wie ein Malerfürst des Fin de Siècle. Große Show, hoher Unterhaltungswert.

Im Atelier trägt Lüpertz hingegen den proletarischen Blaumann, ringt mit der Form, hadert, rackert und grübelt: „Ich jage als Künstler dem Ideal hinterher“, sagte er unlängst. Sofern eine Kamera da ist, gibt er auch im Atelier den stählernen Kunstmacho. Wer Lüpertz hingegen einmal mit Kunstschülern und Studenten erlebt hat, sah einen ungeheuer charmanten, einfühlsamen Lehrer, einer der zu vermitteln weiß, wie ein Bild funktioniert, wann es zu scheitern droht, wann es vorbei ist. Ein Maler mit dem untrüglichen Auge, mit Erfahrung und Wertschätzung für die großen Meister, ein wahrer und glühender Liebhaber der Kunst.

Der Mann mit den vielen Gesichtern und dem unbändigen Drang, Kunst zu schaffen und über sie zu reden, wird heute 75. Und es spricht nichts dafür, dass er damit aufhören wollte. Mitte März ist im Duisburger Museum Küppersmühle eine Ausstellung eröffnet worden, die schlaglichtartig ein fünf Jahrzehnte umspannendes Oeuvre präsentiert und mit dem Titel „Kunst, die im Wege steht“ den Nagel auf dem Kopf trifft.

Bequem war seine Kunst nie, Lüpertz schont weder sich noch das Publikum. Das fängt mit dem martialisch-düsteren, drohenden „Westwall“-Bild von 1968 an, ein in Farben und Formen erstarrter Kalter Krieg, und hört mit seinen groben Skulpturen nicht auf, die Bürger auf die Palme bringen – Mozart in Salzburg, Beethoven in Bonn, Herkules in Gelsenkirchen. Lüpertz, der auf dem Parkett den Feingeist in Nadelstreifen gibt, ist künstlerisch ein Berserker, geht an die Grenzen, mag den groben Strich, die dicke Pinselspur.

Auf seinen Bildern wüten Kräfte, regiert eine satte, doch gebrochene, tonige Farbpalette. Düster kommen seine „5 Bilder über den Faschismus“ (1980) daher, irre und bedrohlich sein 54-teiliger „Traum des Künstlers“ (1991), eine wüste Hommage an Goya und Picasso. Die „Bilder über den Krieg“ (1992) und sein Bronze-„Krieger“ (1993) lassen den Betrachter ob der archaischen Wucht verstört erstarren. Der Krieger am Boden, der abgestürzte Ikarus, gebrochene Helden: Das sind seine Themen. Lüpertz leidet mit seinen Kreaturen, wissend, dass wir in einer Zeit leben, in der kein Platz für Helden ist. So zeigt er sie plump und debil wie seinen Mozart, pummelig und unbeweglich wie seinen Merkur, keines Gedankens fähig wie die Philosophin im Kanzleramt, als weidwunden Krüppel und gebrochenen Titan wie seinen Bonner Beethoven. Für seine Kunst im öffentlichen Raum hat er Prügel einstecken müssen. Doch er blieb sich treu.

Geboren wurde Lüpertz in Reichenberg, heute Liberec, in Tschechien, kam 1948 mit seiner Familie nach Rheydt, heute ein Stadtteil von Mönchengladbach. Er hat an der Werkkunstschule in Krefeld und an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert, wo er später selbst Professor und Rektor wurde. 1962 entwickelte er in Berlin seine „dithyrambische Malerei“, veröffentlichte Manifeste, nahm mit Georg Baselitz an der documenta 5 in Kassel teil. Der Rest ist Kunstgeschichte, Lüpertz arbeitet in Berlin, Düsseldorf und Karlsruhe.

Gerne wird der Maler, Bildhauer und Freizeit-Jazzpianist mit Anselm Kiefer, Gerhard Richter, Sigmar Polke und Georg Baselitz zu den „Big five“ der deutschen zeitgenössischen Kunst gezählt. Der Zufall will es, dass alle fünf in der Bonner Bundeskunsthalle mit großen Retrospektiven gefeiert wurden – Lüpertz konnte mit Abstand dabei am wenigsten überzeugen. Lüpertz' Credo: „Man kann es nicht jedem Recht machen.“

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