Kammerspiele in Bad Godesberg Katja Wolff inszeniert "Peter Pan" nach James Matthew Barrie
BAD GODESBERG · Es stehen viele Egos auf der Bühne der Kammerspiele. Peter Pan (Jonas Minthe) zum Beispiel hat seine ganz eigene Siegerpose perfektioniert: Hände in die Hüften gestemmt und Ich-bin-der-Größte-Blick.
Einen Spitzenplatz auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten besetzt auch Tinker Bell (Odine Johne), die am Anfang vor dem roten Vorhang erscheint, in vielen Farben magisch aufleuchten kann und vor allem an sich selbst interessiert ist. Peter Pan betrachtet sie als ihr Eigentum.
Als der ewig junge Held aus James Matthew Barries Geschichte "Peter Pan" von der frühlingserwachenden Wendy Darling (Maya Haddad) schwer angeflirtet wird, kriegt Tinker Bell die Krise: "Was hat sie, das ich nicht habe?" Die vielen Egozentriker in Katja Wolffs Inszenierung von Peter Pan (Fassung von Nina Steinhilber, Lieder von Carsten Gerlitz) müssen lernen, dass sie solidarisch an einem Strang ziehen müssen, um ans Ziel zu gelangen: den fiesen Piraten Käpt'n Hook (Daniel Breitfelder) und seinen sympathisch treudoofen Knecht Smee (Mackie Heilmann) zu besiegen und in einer funktionierenden Familie zu leben.
Das "Ich" ist nur erfolgreich, wenn es auch das "Wir" mitdenken kann. Keine schlechte Erkenntnis für eine gut 90-minütige "musikalische Abenteuerreise für die ganze Familie" (Theater Bonn). Sie verändert auch das Bewusstsein der Theater-Eltern: Lydia Stäubli als Mrs. Darling und Daniel Breitfelder als ihr Mann widmen sich zum Schluss engagiert ihrem Kerngeschäft als Familienoberhäupter.
Jan Freeses und Heike Seidlers Drehbühne ist halb Kinderschlafzimmer der Darlings, halb Piratenschiff. Die Szene ist bevölkert von putzigen Gestalten, zum Beispiel Kindermädchen Nana (Mackie Heilmann), das knurrt und aussieht wie ein Dalmatiner und in einem hübschen Song mitteilt, es sei pädagogisch wertvoll und manchmal einfach nur voll. Gut gebellt, Nana.
Michael Darling (Julian Lührs) und seine Schwester Wendy sind anfangs nicht zu steuernde Chaos-Club-Mitglieder, dann gehen sie - im Wortsinn - mit Peter Pan in die Luft, fliegen davon und müssen sich im märchenhaften Nimmerland bewähren. Dort treffen sie auf anarchische Individualisten, die verlorenen Jungs: Anna Möbus, Muriel Leonie Graf, Konstantin Hertel, Leonard Lange, Leonie Renée Klein und Nima Mehrabani.
Die Darsteller der verlorenen Jungs und Julian Lührs (Michael) studieren Schauspiel an der Alanus Hochschule für Kunst und Gestaltung. Begleitet von dem Musiker Marcus Schinkel singen sie den flotten Song von den Lost Boys. Überhaupt die Musik: Sie verhilft in Katja Wolffs poppiger Inszenierung Käpt'n Hook zu einem großen Auftritt wie auf der Showtreppe: mit musikalischen Zitaten aus "Evita" und der "Rocky Horror Picture Show". Auch Madonna kommt in dieser Produktion zu Wort.
Darüber hinaus blitzt und donnert es, zwei Zicken (Tinker Bell und Wendy) bekriegen sich, und es gibt ordentlich und in Zeitlupe auf die Mütze. Klaus Figge war für die Kampfchoreografie zuständig. Das Publikum in den Kammerspielen bestaunte und bejubelte viele Einfälle.
Wie zum Beispiel der Käpt'n die leblose Wendy vorführte wie eine Marionette; wie eine Treppe sich in das Maul eines Krokodils verwandelte; wie am Ende das Kinderschlafzimmer vor lauter Kindern kaum mehr zu sehen war. Und das alles mit viel Musik, Gesang, tollen Kostümen (Heike Seidler) und einem liebevoll gestalteten Programmheft. Diese Abenteuerreise für die ganze Familie macht richtig Spaß. Der Vorverkauf läuft.
Auf einen Blick
- Das Stück: "Peter Pan" - ein ewigjunges Lese- und Theatervergnügen.
- Die Inszenierung: Bewegt und bewegend, mit Action, Pop und Poesie.
- Die Schauspieler: Sie fühlen sich richtig wohl in ihren Rollen.
Info: Die nächsten Aufführungen: 3., 4., 5., 8., 9., 10., 11., 14., 15., 16., 17., 23., 25., 27. und 30. Dezember (unterschiedliche Angangszeiten). Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.