Kampf gegen einen "verlogenen Islam"

Bei der Lesung "Der Neue Orient" sprachen die zwei ägyptischen Autoren Salwa Bakr und Gamal al-Ghitani in Bonn über Literatur

Bonn. Häufig erschöpft sich unser Wissen über die arabische Welt in einigen vagen Vorstellungen aus 1 001 Nacht. Zwar rückte der 11. September sie in den Fokus der Welt, stellte sie aber in kein gutes Licht. Diese eindimensionale Sicht aufzubrechen, hat sich das Kulturprojekt "Der Neue Orient" zum Ziel gesetzt, das jetzt mit einer Lesung im Veranstaltungssaal der Deutschen Welle vertreten war. Zu Gast waren Salwa Bakr und Gamal al-Ghitani, die zu den wichtigsten Autoren der neuen ägyptischen Literatur zählen.

Dass beim arabisch-westlichen Dialog Grenzen zu überwinden sind, zeigte sich schon darin, dass die Kölner Schauspielerin Marietta Burger aus Übersetzungen der Werke vorlas. Ansonsten hätten zumindest die deutschen Besucher mangels arabischer Sprachkenntnisse auf verlorenem Posten gestanden.

Burger las die Kurzgeschichte "Nuna, die Gestörte" aus Bakrs Werk "Die einzige Blume im Sumpf". Wie meist bei ihr geht es um eine Frau, die am Rande der ägyptischen Gesellschaft lebt. Nuna arbeitet als Dienstmädchen und ist Analphabetin. Worte einer Lehrerin, die sie hin und wieder aufschnappt, wecken ihre Neugier auf eine unbekannte Welt. Eindringlich und mit einfacher, klarer Sprache beschreibt Bakr Nunas Sehnsucht nach einem anderen Leben, die sich jedoch zerschlägt, als ihr Vater ihr mitteilt, sie werde bald heiraten.

Während Bakr die mangelnde Freiheit in arabischen Gesellschaften aus Sicht des einfachen Volkes schildert, betrachtet der Protagonist in Gamal al-Ghitanis Roman "Seini Barakat. Diener des Sultans, Freund des Volkes" die Vorgänge von oben. Al-Ghitani beschreibt detailliert, wie Seini Barakat einen allumfassenden Geheimdienst aufbaut, der über jede Stimmung im Volk Bescheid weiß und sie rechtzeitig zu bekämpfen vermag.

Der Kampf für die Freiheit motiviere ihn zum Schreiben, verriet Gamal al-Ghitani. Schreiben sei seine Form des Widerstandes. Salwa Bakr kämpft gegen einen "verlogenen Islam", der sich auf die Religion beruft, um bestimmte Traditionen aufrecht zu erhalten. Lesungen dieser Art gäben ihr das Gefühl, etwas in der Welt zu sagen zu haben.

Salwa Bakr: Die einzige Blume im Sumpf, Lenos Verlag 1994, 117 S., 8,80 Euro. Gamal al-Ghitani: Seni Barakat, Lenos Verlag 1996, 395 S., 12,50 Euro.

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