Ausstellung im Arndt-Haus "Just Postcards" gibt Einblick in Beethovens Wirkungsgeschichte

Bonn · Dass Beethoven Humor und Selbstironie besaß, ist unbestritten, lässt sich aber kaum erahnen, wenn man die neue Ausstellung des Bonner Stadtmuseums im Ernst-Moritz-Arndt-Haus betritt. Sie heißt ganz unschuldig "Just Postcards".

 Beethoven-Plakat nach einem Entwurf von Leo Haas (1901-1983) zum 100. Todestag im Jahr 1927.

Beethoven-Plakat nach einem Entwurf von Leo Haas (1901-1983) zum 100. Todestag im Jahr 1927.

Foto: Hartmann

Wenn ein Komponist sein neuestes Werk "Duett mit zwei obligaten Augengläsern" nennt und sich mit diesem Titel ein wenig über die kurzsichtigen Widmungsträger des für einen Violaspieler und einen Cellisten geschriebenen Duos lustig macht, darf man von einem humorvollen Menschen ausgehen. Bei dem Komponisten handelt es sich um Ludwig van Beethoven, ebenso wohl auch bei dem Bratscher.

Dass Beethoven Humor und Selbstironie besaß, ist unbestritten, lässt sich aber kaum erahnen, wenn man die neue Ausstellung des Bonner Stadtmuseums im Ernst-Moritz-Arndt-Haus betritt. Sie heißt ganz unschuldig "Just Postcards", hat es aber durchaus in sich. Denn die ausgestellten, zum Teil fotomechanisch vergrößerten Objekte aus der Sammlung des Stadtmuseums, geben einen tiefen und spannenden Einblick in die Rezeptionsgeschichte von Beethovens Werk und Leben von seinem Tod bis bis in die jüngere Vergangenheit.

Ein lächelnder oder gar lachender Beethoven findet sich da nicht. Die Miene des meist einsam dargestellten Beethoven ist fast durchgehend düster, heroisch und entschlossen. Symptomatisch ist da das Plakat zum 100. Todestag des Meisters, das nach einem Entwurf von Leo Haas entstand: Der zuckende Blitz neben Beethovens grimmigem Haupt, das vom Sturm aus dem Gesicht gewehte Haar und die rote Kolorierung des abstrakten Hintergrunds lassen nicht etwa an die Gewitterszene aus der sechsten Sinfonie, der "Pastorale", denken, sondern eher an das Feuer des neun Jahre zurückliegenden Ersten Weltkriegs.

Postkarten und andere populäre Reproduktionsgrafiken waren seit dem 19. Jahrhundert ein Massenmedium, an dem sich der Zeitgeist wunderbar ablesen lässt, gleichviel ob nun Motive vom Drachenfels oder eben von Beethoven auf ihnen zu finden sind. Museumsleiterin Ingrid Bodsch erläutert, dass die Postkarten und die Ästhetik ihrer Motive zwar längst nicht mehr den heutigen Geschmack träfen, doch sei das Beethovenbild, das hinter den Bildmotiven der Postkarten stehe, immer noch unverändert. Das scheinbar zeitlose Klischee zeigt Beethoven, den "Titan, das einsame Genie, den genialen Leidenden, der dank seiner über allen stehenden Fähigkeiten alles überwand, um gleichsam in den Olymp aufzusteigen", erläutert Bodsch. Dieses Beethovenbild sollte schon spätestens im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts transportiert werden und sei später auch in der NS-Zeit so gut verwendbar gewesen, stellt Bodsch fest.

Beethovens Leben und Kunst bescherte den Urhebern der Postkarten und den Schöpfern weiterer Reproduktionsgrafiken wie Werbebildchen und Plakate eine Fülle von Motiven, die nicht selten die Kitschgrenze hemmungslos überschreiten. Schon die Geburt wird da überhöht, als sei Beethoven der vom lieben Gott gesandte Erlöser. In einer Reproduktion eines Aquarell-Entwurfs zu einem monumentalen (nicht ausgeführten) Gemälde des 1908 gestorbenen Friedrich Geselschap gewährt der Künstler uns einen Blick ins Geburtszimmer in der Bonngasse. Beethovens Eltern stehen hinter der Wiege, eine Amme kümmert sich den neugeborenen Genius, über den sich eine Muse mit Lyra beugt, während vier Chorknaben im Hintergrund engelsgleich singen.

"Vor der Wiege liegt der Lorbeerkranz, und die Mutter übernimmt sozusagen die Rolle der Parze: Sie hält eine Dornenkrone bereit", deutete der Musikwissenschaftler Rainer Cadenbach in seinem Buch "Mythos Beethoven" die Szene. Es gibt Postkarten, die Beethoven als einsamen Wanderer in der Natur zeigen, als emanzipierten Geist, der dem Adel mindestens auf Augenhöhe begegnet, als Komponisten in seinem bescheiden eingerichteten Zimmer, den von Visionen ergriffenen Künstler, oder - seltener - den warmherzigen Wohltäter. Zwei Motive nämlich widmen sich einer Legende, nach der Beethoven bei einem abendlichen Spaziergang von Klavierspiel angelockt ein Haus betreten haben soll, wo er in einem Zimmer auf ein blindes Mädchen beim Musizieren traf.

Der Komponist habe dann beschlossen: "Ich will ihr den Mondschein spielen, den zu sehen ihr nicht vergönnt ist", zitiert die Info-Tafel die Anekdote. Darauf habe er den ersten Satz seiner cis-Moll-Sonate gespielt, die so den Namen "Mondschein-Sonate" erhalten habe. Dass Beethoven selbst die Klaviersonate op. 27 Nr. 2 nur "Quasi una fantasia" betitelte, zerstört die Postkarten-Idylle natürlich ein bisschen.

Ernst-Moritz-Arndt-Haus, Adenauerallee 79, Öffnungszeiten: Mi bis Sa, 13 bis 17 Uhr, So von 11.30 bis 17 Uhr, bis 17. Januar 2016.

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