Interview mit Nike Wagner und Dettloff Schwerdtfeger Jubiläumsjahr ist eine Chance für das Beethovenfest

Bonn · Die Intendantin und Kaufmännischer Geschäftsführer schätzen die finanzielle Situation des Bonner Festivals trotz Defizits als stabil ein.

Das Beethovenfest hat in diesem Jahr ein Minus von 667.000 Euro gemacht. Haben Sie die Ursachen dafür schon genau analysiert?

Dettloff Schwerdtfeger: Wenn ein Defizit droht, müssen wir die Gremien informieren. In welcher Höhe ein Defizit auftritt, wissen wir, wenn das Jahr zu Ende ist. Da die Stadt am vergangenen Dienstag zu ihrer Zusage stand, die nachweislichen Mehrkosten im WCCB zu decken, ist unser diesjähriges Ergebnis durch Ergebnisvorträge aus Vorjahren voll finanziert. Die Intransparenz, die man uns vorgeworfen hat, entsteht eigentlich erst durch die vorschnelle Verbreitung und Bewertung von Prognosen. Durch die Veröffentlichung hatten wir keine Gelegenheit, eine sorgfältige Analyse zu betreiben. Aber natürlich untersuchen wir das sorgfältig.

Nike Wagner: Zur Defiziterforschung gehört noch etwas, was man nicht vergessen sollte: Die Steuergelder fließen in den Betrieb, die Veranstaltungen sind hingegen privatwirtschaftlich finanziert. Mit unseren Hauptsponsoren gibt es eine lange und wunderbare Zusammenarbeit. Aber wir sind auch abhängig etwa von Kunst- und Kulturstiftungen, die wiederum andere Zeitabläufe haben, als es die Absegnung unserer Wirtschaftsplanung verlangt. Und wenn sich dann mal eine Stiftung nicht für uns entscheidet – was ein normales Vorgehen ist und nichts mit der Qualität unserer Projekte zu tun hat –, kann das leicht eine Finanzlücke aufreißen. Wir sind auf hoher See und kalkulieren mit vielen Unbekannten.

Dennoch: Das Minus ist da, auch wenn es noch einmal durch Rücklagen aufgefangen werden kann. Zieht das Beethovenfest Konsequenzen daraus für das kommende Festival oder für weitere Planungen im künstlerischen oder marketingstrategischen Bereich?

Wagner: Die Spielstätten haben beim Defizit eine erhebliche Rolle gespielt. Und das ist ein Faktor, den wir nicht ändern können. Insofern ist unser Spielraum eher begrenzt. Auch deshalb versuchen wir, die Bonner und das überregionale Publikum für ein interessantes Programm zu begeistern. Und wir waren künstlerisch noch nie so erfolgreich wie in diesem Jahr 2018. Ich bleibe bei meinem Kurs und halte ein sinnvolles, schönes und besonderes Programm für Bonn für richtiger als ein Allerwelts-Einkaufs-Festival.

Schwerdtfeger: Es soll aber nicht der Eindruck entstehen, dass wir uns nicht selber reflektieren würden. Wir werten jedes Beethovenfest aus, überprüfen Publikumsresonanzen und schauen dann, wie wir weitergehen können. Seit 2016 waren beispielsweise 86 Prozent der gespielten Werke aus dem Zeitraum Klassik-Romantik bis Richard Strauss' Tod. Nur 14 Prozent des in diesem Zeitraum dargebotenen Repertoires sind nach Strauss' Tod entstanden. Wir appellieren also an alle, das Programm wirklich zu lesen.

Wagner: Wir holen die besten Interpreten und Stars, die es derzeit im Musikbetrieb gibt: Carolin Widmann, Isabelle Faust, Patricia Kopatchinskaja, Igor Levit, András Schiff und viele mehr. Kirill Petrenko, John Eliot Gardiner und Daniel Barenboim waren hier. Also die erste Liga sowohl bei Solisten wie bei den Dirigenten. Es stimmt zwar, dass ich auf originelle Programmierungen Wert lege, aber wir schauen schon, wer unsere Wünsche am besten erfüllt.

Das Beethovenfest 2019 fällt ein bisschen kleiner aus. Warum?

Schwerdtfeger: Bereits seit Anfang 2017 planen wir ein Beethovenfest 2019, das – drei Monate vor dem Start des großen Jubiläums – zurückhaltender ausfällt. Denn wir diskutieren ja auch in der Stadt darüber, ob die Fülle der Veranstaltungen überhaupt einen Markt findet. Da wollen wir so kurz vor dem Jubiläumsjahr keinen zu großen Aufschlag machen. Und Nike Wagners Motto „Mondschein“ lädt ja ein, sich zurückzuziehen in eine beschauliche, lyrische Ecke.

Aber darum herum wird ja wahrscheinlich in Bonn schon ordentlich auf das Jubiläumsjahr hin getrommelt werden müssen?

Schwerdtfeger: Für 2020 sind wir in Abstimmung mit der Jubiläumsgesellschaft schon jetzt in der Vorbereitung für die großen Programmblöcke der zwei Festivals 2020. Die haben wir uns ja nicht erst gestern ausgedacht, sie sind Ergebnis strategischer Überlegungen. Auch als Reaktion auf dieses und die vergangenen Jahre. Die zwei Spielzeiten im Jahr 2020 sind für uns eine Chance, zu schauen, ob nicht eine Verbreiterung des Beethovenfests im Jahreslauf ein Modell ist, das wirtschaftliche Risiken besser verteilen kann.

Beethoven-Haus-Direktor Malte Boecker schwärmte kürzlich beim Wirtschaftstalk in der Bundeskunsthalle von der Begeisterung der Japaner für Beethovens neunte Sinfonie. Eine Begeisterung, die er in Bonn ein wenig vermisse. Beim Beethovenfest würden aber auch die Japaner nicht glücklich werden, weil die Neunte während Ihrer Zeit als Intendantin noch nicht erklungen ist. Wäre das nicht ein wichtiger Schritt auf die Menschen zu?

Wagner: Ich finde ein Programm, das den Kontext von Beethoven beleuchtet, weit interessanter als jedes Jahr die Neunte aufzuführen. Zu außerordentlichen Gelegenheiten, ja, gerne. Wenn nun mal die Neunte für Bonn wäre, was der Parsifal einmal für Bayreuth war...

Schwerdtfeger: Wir reden oft darüber, wie wir im Festival Rituale etablieren können, also regelmäßig wiederkehrende Ereignisse wie prunkvolle Eröffnungs- oder Abschlusskonzerte. Beethoven hat uns mehrere ikonographische Werke hinterlassen: das Violinkonzert, das fünfte Klavierkonzert oder auch die späten Streichquartette, diese Werke eignen sich meines Erachtens dafür.

Ist die Situation bei den Sponsoren stabil?

Wagner: Ich denke, das ist sie.

Kürzlich war zu lesen, dass ein Sponsor abgesprungen sei.

Wagner: Das ist Unsinn. Es handelt sich da um ein Reiseunternehmen, das zehn Jahre lang das Beethovenfest unterstützt hatte und 2014 den Wechsel in der Intendanz zum Anlass nahm, sich neu zu orientieren. Ein ganz normaler Vorgang.

Haben Sie Sponsoren hinzugewonnen?

Schwerdtfeger: Seit 2016, als ich hier anfing, haben wir keinen Sponsoren verloren und ein Unternehmen aus Andernach dazugewonnen. Und wir haben vor zwei Jahren einen Förderverein gegründet, der in diesem Jahr fast 40 000 Euro zum Beethovenfest beigetragen hat. Das ist die Größenordnung eines Eventsponsors.

Der Bund fördert das Beethovenfest 2019 mit einem erheblichen Betrag, der 2020 noch einmal erhöht wird. Wie sehen Sie die Chancen, dass daraus eine dauerhafte Förderung wird?

Wagner: Ich sehe in einem gelungenen Jubiläumsjahr die allergrößte Chance, von Bund und Land eine dauerhafte Förderung zu erhalten. Das Beethovenfest könnte seine riskanten Existenzbedingungen, sein Dasein auf hoher See, erheblich ruhiger gestalten.

Würden Sie nach 2020 auf dieser See selbst weitersegeln wollen?

Wagner: Das wird man dann sehen. Es geht ja nicht um mich, sondern um den Fortbestand des Beethovenfests.

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