Journalist Aust spricht im Haus der Geschichte über "Baader Meinhof Komplex"

Der Chef-Analytiker - Autor: "Ich fühlte mich wie ein Archäologe, der zu den Grundmauern einer versunkenen Stadt hinabtaucht"

Journalist Aust spricht im Haus der Geschichte über "Baader Meinhof Komplex"
Foto: Franz Fischer

Bonn. "Sind Sie ein Sympathisant der RAF gewesen?", will Rainer Burchard wissen, Medienprofessor an der Fachhochschule Kiel. Die Antwort von Stefan Aust kommt wie aus der Pistole geschossen: "Nicht die Spur." Und er fügt in einer höflich-säuerlichen Mixtur hinzu: "Diese Frage wird mir sehr oft gestellt - und ehrlich gesagt, finde ich sie seltsam."

Der Saal im Haus der Geschichte ist voll besetzt, und ein gutes Stück vor der seltsamen Frage zählt Gastgeberin Karin Hempel-Soos vom Haus der Sprache und Literatur eine ganze Reihe von Autoren mit deren Sachbüchern auf, die alleine in diesem Jahr zum Thema des Abends erschienen sind. Nichtsdestotrotz: "Die RAF-Enzyklopädie schlechthin hat er geschrieben", konstatiert Hempel-Soos mit Blick auf den Gast völlig zutreffend.

Stefan Aust, langjähriger "Spiegel"Chefredakteur, gilt als Doyen der Chronisten und Analytiker zur Geschichte der Roten Armee Fraktion. 1985, acht Jahre nach dem Tod von Baader, Ensslin und Raspe in Stammheim, erschien Austs Bestseller "Der Baader Meinhof Komplex". Das intensiv geschriebene, akribisch recherchierte Protokoll wurde zum Standardwerk, zur bislang unerreichten Messlatte für alle anderen RAF-Chronisten.

1997 erschien eine erweiterte und aktualisierte Fassung des Buches, und die in diesem Jahr veröffentlichte Ausgabe wurde von Aust ein weiteres Mal auf den neuesten Stand gebracht. Erstmals sind nun auch Schwarzweiß-Fotos enthalten. Stefan Aust berichtet in seinem halbstündigen Vortrag, dass er den "Baader Meinhof Komplex" vor der jüngsten Neubearbeitung zehn Jahre lang nicht mehr in der Hand gehalten habe.

"Ich fühlte mich wie ein Archäologe, der zu den Grundmauern einer versunkenen Stadt hinabtaucht", so der 62-Jährige über die emotionale Grundlage. Als Kernpunkte der Analyse spricht Aust Parallelen zwischen der RAF und heutigen islamistischen Terroristen an. Zum Beispiel der Suizid: "Der Selbstmord gehörte von Anfang an zum Konzept der Truppe. Insofern haben die Attas und die Baaders ihre Gemeinsamkeiten", so Aust.

Aufmerksame Zuhörer vergleichen diese These mit einem der RAF-Mottos, und zwar "Wir sind das Projektil". Jenem Schlachtruf wohnt auch eine religiöse Lesart inne, und Aust kommt über die Person Gudrun Ensslin darauf zu sprechen. Euphorische Selbstverwirklichung durch Gewaltanwendung, ein Zitat von Ensslins Vater. "Dieses Motiv spielt eine ganz wesentliche Rolle", sagt Aust.

Im anschließenden Gespräch mit Burchard geht es natürlich auch um die Verfilmung von "Der Baader Meinhof Komplex", an der Aust mitgewirkt hat und die derzeit im Kino zu sehen ist. "Wir wollten keinen Actionfilm machen. Wir wollten zeigen, was Terrorismus ist: Gewalt und brutaler Mord. Das wollten wir zeigen, auch im Sinne der Opfer", erklärt Aust die vielen Schießereien, Explosionen und teils drastischen Effekte.

Und den Vorwurf, die Verfilmung seines Erfolgsbuches sei zu sehr auf die Täter fixiert, transportiere gar Terroristen-Chic, wehrt er entschlossen ab. "Die Geschichte der RAF ist eine Geschichte der Täter, nicht der Opfer." Und: "Ich glaube, dass unser Film ein Film für die Angehörigen der Opfer ist, und nicht für die der Täter."

Stefan Aust: Der Baader Meinhof Komplex (Neuausgabe 2008). Hoffmann und Campe. 896 Seiten, gebunden, 26 Euro.

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