Kleine Theater in Bonn Joe Knipp bringt Ingmar Bergmans "Szenen einer Ehe" auf die Bühne

BONN · Sie spielen Karten, während sie sich unterhalten über Ibsens "Nora", die sie gerade im Theater gesehen haben. Johan findet das Stück reichlich überholt und Feminismus sowieso von vorgestern. Aber als kämpferische Studentin war Marianne unwiderstehlich attraktiv.

 "Szenen einer Ehe" mit Aurélie Thépaut und Richard Hucke.

"Szenen einer Ehe" mit Aurélie Thépaut und Richard Hucke.

Foto: Kleines Theater

Das ist eine Weile her. Johan und Marianne sind seit zehn Jahren verheiratet: ein vorbildliches Paar, beide in anspruchsvollen Berufen tätig, zwei perfekte Kinder, Stadtwohnung und Sommerhaus am See. Alle Probleme werden einvernehmlich partnerschaftlich gelöst.

Leider zu schön, um wahr zu sein. Die glatte Fassade bröckelt gefährlich in den "Szenen einer Ehe", mit denen der Schwede Ingmar Bergman in den 1970er Jahren einen der wichtigsten Beiträge des 20. Jahrhunderts zum Scheitern einer auf privaten Gefühlen basierenden bürgerlichen Lebensform lieferte. Zunächst als TV-Serie, später als Kinofilm und Theaterstück. Es ist eine scharfsinnige Analyse der ehelichen Liebe und der widerstrebenden Triebe, in der die Dialoge eine geradezu physische Übergriffigkeit entwickeln.

Die schon in Köln sehr erfolgreiche Inszenierung von Joe Knipp, die nun im Kleinen Theater Bad Godesberg zu erleben ist, setzt auf leise Töne. Es ist kein düsterer Strindberg-"Totentanz" und keine Vernichtungs-Orgie wie in Albees "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" In der hellen Ausstattung von Hannelore Honnen und Wolfgang Wehlau läuft eine sachliche Romanze ab: Johann und Marianne haben sich aneinander gewöhnt und können es nicht fassen, dass ihnen zwischen Frühstückskaffee und sonntäglichen Mittagessen bei den jeweiligen Eltern die Liebe abhanden kam. Miteinander sind sie trotz aller gegenteiligen Behauptungen unglücklich, ohneeinander verzweifelt.

Die Regie reiht die Szenen mit Zwischen-Blacks wie Momentaufnahmen aus der Ehe-Kriegszone aneinander. Johann liest unerschüttert die Zeitung, während Marianne vergeblich um ein Wochenende ohne die üblichen Mechanismen des Familien-Clans kämpft. Das wäre bloß komisch, wenn sie nicht mit dem Rücken zu ihrem Gatten ins Leere blickte. "Wenn es um Beziehungen geht, sind wir Analphabeten", wird Johan später sagen.

Richard Hucke spielt fabelhaft genau diesen zerstreuten, verantwortungsscheuen Typen, der hormongesteuert aus dem geordneten Ehegefängnis ausbricht, um mit seiner jungen Geliebten nur noch tiefer abzutauchen in eine Gefühlswirrnis. Die verpasste Professur in den USA ist nur der Anfang seiner selbstmitleidig verstörten Rückkehr ins warme Nest. Seiner Macho-Dünnhäutigkeit setzt Aurélie Thépaut als Marianne eine durch emotionale Verletzungen abgehärtete Oberfläche entgegen. Die Zwitschervögelchen-Periode ist vorbei.

Es braucht viel Whisky für die nüchterne Bestandsaufnahme: Sie hassen sich und lassen kaum verbale Gemeinheit aus, weil sie voneinander nicht loskommen. Marianne organisiert die Scheidung, Johan nimmt es schuldbewusst einfach hin. Und doch knistert es zwischen den beiden. Sie spielt ihre erotische Energie aus, verlockt und entzieht sich. Er resigniert und wird am 20. Hochzeitstag brav und lieb wieder funktionieren, als ob immer Frieden geherrscht hätte. Ein ironisches Happy End nach einem erbitterten Kampf. Vor allem jedoch zwei großartige Schauspieler, die in jeder Minute dieser zweistündigen Eheschlacht intensiv berühren.

Bis zum 17.April täglich um 20 Uhr auf dem Spielplan des Kleinen Theaters. Karten unter Tel. 0228/362839.

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