Quadrate in Bewegung Jo Niemeyers grafisches Werk im Bonner Arithmeum

BONN · Sie hängen abseits im Arithmeum, die "Jugendsünden" von Jo Niemeyer: sehr bunte, sehr bewegte geometrische Formationen, quasi zentrifugal umeinanderwirbelnd und doch statisch, leicht psychedelisch und schwer überladen.

 Spiel der Streifen und Quadrate: Ina Prinz vor einer Serie von Jo Niemeyer im Arithmeum.

Spiel der Streifen und Quadrate: Ina Prinz vor einer Serie von Jo Niemeyer im Arithmeum.

Foto: Fischer

"Kinetik" nannte Niemeyer seine mit 3-D-Effekten arbeitende Bilder-Serie der wilden 70er Jahre. Es ist spannend zu sehen, wie Niemeyer in den folgenden Jahrzehnten asketische Ordnung in die Opulenz der Farben brachte, wie er dem Chaos der Formen eine strenge Struktur gab, dem Wildwuchs nach den ehernen Gesetzen des Goldenen Schnitts und im Geist der konkreten Kunst Schranken aufwies.

Langweilig wird Niemeyers Werk dadurch nicht, die Disziplinierung tut den Bildern gut. Effekte und geometrische Entwicklungen, die er bei seinen "Jugendsünden" in ein Bild packte, erscheinen nun analysiert, kanalisiert - und in Gestalt von Serien nachvollziehbar.

Das Arithmeum, das 2009 den 1946 in Alf an der Mosel geborenen Maler und Designer erstmals mit einer Retrospektive vorstellte, präsentiert nun Niemeyers Oeuvre auf Papier. Der Künstler hat dem Bonner Museum sein Gesamtwerk auf Papier geschenkt, das Arithmeum revanchiert sich nun mit einem fast fünf Jahrzehnte umfassenden Überblick.

Niemeyer hat in Helsinki Gestaltung und Design studiert, trainierte, wie Arithmeum-Chefin Ina Prinz erzählt, die finnische Nationalmannschaft im Langlauf, kam von der Fotografie zur Malerei. Niemeyer erkrankte an amyotropher Lateralsklerose (ALS) wie der 2007 verstorbene Maler Jörg Immendorff, kann inzwischen nur noch am Computer arbeiten. Seine Frau Tuula vollende die Werke, so Ina Prinz. Sie habe auch früher bei Niemeyers Siebdruckserien mit angepackt.

Die Ausstellung zeigt, wie Niemeyer vom bunten Chaos ausgehend zu den Primärfarben Rot, Blau und Gelb fand, denen er Schwarz und Weiß an die Seite stellte. Die Reduktion ging weiter: zu Rot und Schwarz. Auch das Spiel der Rechteckformen wurde reduzierter. Bänder und Bahnen, große und kleine Quadrate klären sich zu einer einfachen Abfolge von Rechtecken.

Unzählige Varianten deklinieren die Möglichkeiten aus. Mit schier grenzenloser Disziplin bringt Niemeyer seine Form- und Farbetüden an die Wand, nennt sie etwa "SP 04 5070 I-II". "Sp" steht für Spirale: Selbst wenn es auf den ersten Blick nicht immer erkennbar ist, Niemeyer strebt in seinen geometrischen Bildern die Dynamik und Beweglichkeit der Spirale an. Womit er - formal geläutert - fast zu den Anfängen der "Kinetik"-Serie zurückkehrt.

Ein fremdes Bild fällt im Reigen der 100 Niemeyers auf: Ein wirklich zauberhaftes Schachbrettmuster in Pastelltönen des großen Antonio Calderara von 1959/60. Eine Rarität. "Gerade wirklich günstig erworben", wie verraten wird. Ein Vorbote für eine kommende Ausstellung? Kein Kommentar.

Arithmeum, Lennéstr. 2; bis 31. März 2014. Di-So 11-18 Uhr.

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