40 Jahren nach „Oxygène“ Jean-Michel Jarre im GA-Interview

BONN · Der französische Superstar Jean-Michel Jarre gibt am 12. Juli ein Konzert auf dem Kunst!Rasen. Und erinnert sich im GA-Interview an einen denkwürdigen Aufenthalt in Bonn – vor 40 Jahren.

 Jean-Michel Jarre: "Es gibt einen Asteroiden mit meinem Namen. Und wer weiß, vielleicht spiele ich irgendwann auf dem Mond? Ich wäre jedenfalls sofort dabei!"

Jean-Michel Jarre: "Es gibt einen Asteroiden mit meinem Namen. Und wer weiß, vielleicht spiele ich irgendwann auf dem Mond? Ich wäre jedenfalls sofort dabei!"

Foto: picture alliance / dpa

Gerade ist der 68-jährige Soundmeister von einer US-Tour wiedergekommen, am 12. Juli gibt er ein Konzert in Bonn. Und dazwischen holte er sich noch einen ganz besonderen Preis ab. Mit Jarre sprach GA-Autorin Katja Schwemmers in Hamburg.

GA: Monsieur Jarre, erst einmal: Glückwunsch! Am 20. Juni wurden Sie in Norwegen mit der „Stephen Hawking Medaille“ für Ihren außerordentlichen Beitrag zur Wissenschaftskommunikation ausgezeichnet. Stolz?

Jean-Michel Jarre: Es ist eine unfassbare Ehre, den Preis aus den Händen von Stephen Hawking erhalten zu haben. Er ist der Einstein des 21. Jahrhunderts.

GA: War es nicht verlockend, ihn für einen Song anzuwerben?

Jarre: Absolut. Ich habe ein Projekt mit ihm in der Pipeline.

GA: Neben der Medaille haben Sie eine Omega Speedmaster Uhr aus 18-karätigem Gold erhalten. Können Sie die gebrauchen?

Jarre: Ich stehe eigentlich nicht auf goldene Uhren, aber diese ist eine Replik jener Uhr, die Neil Armstrong trug, als er seinen Fuß auf den Mond setzte. Ein durchaus begehrenswertes Objekt.

GA: Haben Sie sich jemals wie ein Wissenschaftler gefühlt?

Jarre: Nein, aber Wissenschaft und Musik liegen nah beieinander. Ohne die Wissenschaft würde elektronische Musik gar nicht existieren. Außerdem: Vor 30 Jahren habe ich in Houston ein Konzert unter Mitwirkung der Nasa gegeben.

GA: Es war das erste Musikereignis, in das die Nasa involviert war, oder?

Jarre: Richtig. Eigentlich hätte der Astronaut Ronald McNair das Saxofon live aus der Raumfähre spielen sollen. Aber es war die Challenger-Mission – das Ganze endete in einer Tragödie, und er kam ums Leben. Das ist jedoch nicht mein einziger Bezug zur Raumfahrt und Astronomie.

GA: Sondern?

Jarre: Es gibt einen Asteroiden mit meinem Namen. Und wer weiß, vielleicht spiele ich irgendwann auf dem Mond? Ich wäre jedenfalls sofort dabei!

GA: Erst einmal spielen Sie aber in Bonn. Als Sie im Herbst tourten, waren sie in bestuhlten Arenen unterwegs. Diesmal ist das Ganze unbestuhlt im Freien. Macht das einen Unterschied?

Jarre: Das hoffe ich doch. Meine Show ist gemacht für ein stehendes Publikum. Das Repertoire ist ein Mix aus den „Electronica“-Alben und meinen Klassikern „Oxygène“ und „Équinoxe“, aber für das Jahr 2017 reproduziert.

GA: Das heißt?

Jarre: Die Lichteffekte sind diesmal sehr aufwendig. „Man muss es gesehen haben, um es zu glauben“, schrieb Newsweek über mein Konzert in New York.

GA: Waren sie überhaupt schon mal im Bonn?

Jarre: Das war ich tatsächlich. Ende der Siebziger arbeitete ich in Bonn mit dem Regisseur Peter Fleischmann an dem Soundtrack zu seinem Film „Die Hamburger Krankheit“. Wir werkelten die ganze Nacht durch im Studio. Morgens lud er mich dann zum Frühstück in ein Café ein.

GA: Daran erinnern Sie sich?

Jarre: Ja, denn er bestellte zum Bier ein paar Würste, die er in Senf tauchte. Er tat dies so selbstverständlich wie wir Franzosen Croissants in den Kaffee tauchen. Ich muss gestehen, dass der Anblick am frühen Morgen ein Trauma bei mir auslöste.

GA: Fanden Sie das typisch deutsch?

Jarre: Ach nein, in solchen Klischees denke ich nicht. Ich betrachte mich als Europäer. Es wird gern mal behauptet, dass die Deutschen hart und uncharmant seien, aber das kann ich nicht bestätigen. Deutsche Frauen haben jedenfalls etwas erfrischend Unschuldiges – und eine gute Energie. Das weiß ich zu schätzen.

GA: Glauben Sie, dass mit Emmanuel Macron die Beziehung zwischen Frankreich und Deutschland verbessert wird?

Jarre: Definitiv! Einen Präsidenten zu haben, der erst 39 Jahre alt ist, sendet ein positives Signal in die ganze Welt. Es fühlt sich an wie die Französische Revolution, aber ohne Blutvergießen.

GA: Waren Sie in Paris, als er gewählt wurde?

Jarre: Nein, in Amerika. Aber dort habe ich gemerkt, dass Europa plötzlich wieder begann, cool zu sein. Die politische Beziehung zwischen Frankreich und Deutschland war zuvor eher ein Witz – und eine Fassade, um die EU zu erhalten. Ich bin sehr glücklich mit dem Wandel.

GA: Ihr Vater Maurice war auch ein bekannter Komponist. War er beeindruckt von Ihren Erfolgen?

Jarre: Mein Vater hat die Soundtracks zu „Lawrence von Arabien“ und „Doktor Schiwago“ geschrieben. Aber meine Eltern trennten sich, als ich fünf war. Es war lange Zeit sehr schwierig für mich, damit klar zu kommen.

GA: Wie hat sich das geäußert?

Jarre: Nun, ich habe sehr viele Soundtracks deswegen abgelehnt. Ich habe mich darüber mal mit Volker Schlöndorff unterhalten. Auch für „Die Blechtrommel“ hatte mein Vater den Soundtrack komponiert. Und Jahre später fragte Volker mich, ob ich den Soundtrack zum Film „Strajk – Die Heldin von Danzig“ über Anna Walentynowicz, die Mitgründerin der Gewerkschaft Solidarnosc, schreiben könnte.

GA: Was Sie dann auch getan haben, oder?

Jarre: Ja. Dieser Auftrag hat mir bei der Verarbeitung meiner Vergangenheit geholfen.

GA: Verraten Sie uns drei Dinge, die man nicht über Sie weiß?

Jarre: Ich bin ein Fan von Mousse au Chocolat. Und ich mache vermutlich eine der besten Mousse überhaupt. Die Frauen in meinem Leben hat das immer sehr erfreut. Womit wir bei der zweite Sache wären: Ich hatte immer eine zu große Schwäche für Schauspielerinnen. Aber nun habe ich von dieser Vorliebe Abstand genommen. (Anm. d. Red: Jarre war mit der Schauspielerin Charlotte Rampling verheiratet und mit Isabelle Adjani liiert.)

GA: Und die dritte Sache?

Jarre: Ich bin süchtig nach meinem Elektrofahrrad. Es ist ein prima Ausgleich nach einem langen Tag im dunklen Studio.

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