Jazzer Paul Scofield in der Philharmonie Jazz trifft Country

Ein denkwürdiger Abend in der Kölner Philharmonie: Jazzlegende John Scofield begeistert mit „Country For Old Men“. So schön kann Country klingen.

 Lustvoll: John Scofield in der Philharmonie Köln.

Lustvoll: John Scofield in der Philharmonie Köln.

Foto: Thomas Brill

Amerikanische Countrymusik in der Philharmonie? Ein Wagnis. Interpretiert durch John Scofield, Legende an der Jazzgitarre? Eigentlich undenkbar. Das Programm heißt „Country For Old Men“, und gegen Mitte des Konzerts sagt der weißbärtige Scofield: „Sie werden den Titel merkwürdig finden – aber schauen Sie sich doch an!“ Gelächter. Denn zu diesem Zeitpunkt war allen klar, wie Scofields Countrymusik funktioniert, wie vital und frisch das klingt – und so alt fühlte man sich im Publikum nun auch nicht.

Die ersten Takte des Eingangsstücks „Mama Tried“ hatten noch zu größter Sorge Anlass gegeben: süßlich, schrammelig klang das, ein Hauch von Prärie zog durchs Halbrund der Philharmonie. Doch dann machten sich die Jazz-Arbeiter an die lustvolle Dekonstruktion: Scofields Improvisationen befragten mit wunderbarem, sattem Sound die Volksweisen neu, der herausragende Gerald Clayton nahm am Flügel und an der blubbernden, wummernden, glucksenden Orgel diese Impulse aufmerksam und fantasievoll auf, Bassgitarrist Steve Swallow gab mit zarter Intensität das Seine dazu, und der exzellente Mann am Schlagzeug, Bill Stewart, verlieh dem Ganzen Struktur und Dramatik.

Das begeisterte Publikum wurde zum Zeugen einer Vorpremiere: Die CD „Country For Old Man“ erscheint offiziell erst am kommenden Freitag. Da spielt Scofield mit seinem Quartett in Boston, dann in Washington, dann an sechs Abenden im Mekka der Jazzwelt, im „Blue Note“ in New York.

Der Titel ist natürlich eine Anspielung an Cormac McCarthys, von den Coen-Brüdern herrlich verfilmten Roman „No Country For Old Men“, zugleich eine Liebeserklärung Scofields an die Countrymusik und augenzwinkernd ein Kommentar zum eigenen Alter. Denn das Kölner Konzert war ein Generationenprojekt.

Scofield ist 64, geht aber gut und gerne für 75 durch, Swallow ist echte 75, Stewart (58) gehört der Söhne- und Clayton (32) fast der Enkelgeneration an. Das Quartett harmonierte perfekt, etwa, als es darum ging, Dolly Partons schmissigen Hit „Jolene“ in ein inspirierendes Experimentierfeld des Jazz zu verwandeln. Scofield begann mit ganz spärlichen Andeutungen des tragenden „Jolene“-Motivs, um es dann virtuos zu verwandeln. War hier nur noch in Spurenelementen Dolly Parton vernehmbar, blieben Scofield und seine „young and old men“ bei Shania Twains zarter Ballade „You're Still The One“ und im zugegebenen Rührstück „Just A Girl I Used To Know“ näher am Original.

Scofield kann auch anders. Bei Hank Williams entschuldigte er sich posthum für seine Version von „I'm So Lonesome I Could Cry“, ein trauriges Cowboylied, das Scofield unglaublich beschleunigte, zu einer Jazznummer im Up tempo frisierte. Da blieb kein Musikbaustein auf dem anderen. „Ich weiß, der Komponist wird sich im Grab umdrehen“, meinte Scofield schmunzelnd. Johnny Cash hat diese Nummer oft gesungen, unter anderem mit Nick Cave, und mit brüchiger Stimme in seinen legendären „American Recordings“, die das Genre Country mit Gänsehaut-Intensität noch einmal auf den Prüfstand stellten. Scofield macht das anders, intellektueller, mit weniger Emotion, aber voller Neugier und voller Liebe zu den Melodien und Dramen der Countrymusik. Ein denkwürdiger Abend.

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