Bundeskunsthalle in Bonn Intendant Rein Wolfs über Erwartungsdruck und seine Pläne

BONN · Korrekturen am 20 Jahre alten Konzept der Bundeskunsthalle, dabei aber nicht das breite Publikum verlieren: Diesen Aufgaben will sich der neue Intendant der Bundeskunsthalle in Bonn, der Niederländer Rein Wolfs, stellen. Im Interview skizziert er einen Monat vor seinem Amtsantritt seine Vorstellungen.

Wie gefällt Ihnen das Rheinland, wie gefällt Ihnen Bonn?
Rein Wolfs: Die ersten Eindrücke sind sehr gut. Ich kenne das Rheinland aus meiner Studienzeit in Amsterdam. Da bin ich immer wieder nach Köln und Düsseldorf gefahren. Zu Bonn hat es nur ein- oder zweimal gereicht. Als Niederländer war das Rheinland immer die erste Adresse, wenn man das Land verlassen hat. In den 80er und 90er Jahren hat man hier Ausstellungen angeschaut. Später ging ich in die Schweiz. Da hatte das Rheinland nicht mehr die Bedeutung für mich. Aber ich freue mich auf das Rheinland und die Dichte an Kulturinstitutionen und Kulturschaffenden.

Wieweit haben Sie das Programm der Bundeskunsthalle verfolgt?
Wolfs: Ich habe einiges gesehen. Zuletzt "Lob der Torheit" und "Pixar". Leider habe ich die Ausstellung "Anselm Kiefer" verpasst, von der ich viel Gutes gehört habe.

Was hat Ihnen besonders gefallen?
Wolfs: Mir gefällt das Mehrspartenhaus. So etwas hatte ich bereits in Rotterdam im Boijmans van Beuningen Museum erlebt, wo ich Ausstellungsdirektor war: Ein Haus, wo man Altmeister zeigt, wo man klassische Moderne, 18., 19. Jahrhundert bringt, Gegenwartskunst und Design, sogar Archäologie. Wenn die Mischung stimmt, und die Ausstellungen komplementär sind, sich ergänzen, ist das ein gutes Spannungsverhältnis.

Kennen Sie schon Ihren neuen Nachbarn, das städtische Kunstmuseum und seinen Chef, Stephan Berg? Seit der Anselm-Kiefer-Ausstellung im vergangenen Jahr ist das Verhältnis angespannt. Werden Sie das ändern?
Wolfs: Ich kenne seine Arbeit und er kennt meine. Ich habe seine Arbeit im Kunstverein Hannover verfolgt, bin ihm aber nie begegnet. Ich werde im April an der Veranstaltung "Im Dialog" im Kunstmuseum während der Ausstellung "Heimsuchung" teilnehmen.

Und die Stimmung nach der Kiefer-Schau?
Wolfs: Ich gehe davon aus, dass wir von Anfang an ein unaufgeregtes Verhältnis haben. Wir haben beide Erfahrung, wissen, dass wir in Bonn "Szene" machen müssen. Man braucht einander auf der Museumsmeile. Und man sollte die Häuser synergetisch führen. Ich freue mich darauf.

Gerade mit der Synergie zwischen Bundeskunsthalle und Kunstmuseum hat es - für mich unverständlich - in den letzten Jahren nicht geklappt.
Wolfs: Ich kann mir gut vorstellen, dass man sich die Bälle zuwirft, bin jemand, der Crossover mag und auch andere Sparten wie das Theater ans Haus holen möchte. Das gilt auch für die Kooperation mit anderen Museen oder Kunstvereinen. Es geht um die Lebendigkeit des Ortes. Wir brauchen Dynamik. Die Bundeskunsthalle kann kein Haus sein, wo geschwiegen wird. Wir brauchen Diskurs, Austausch in Bonn, mit dem Rheinland, dem Museum Ludwig in Köln, dem Folkwang in Essen und anderen.

Sie gelten als Mann der Gegenwartskunst. Das war Ihr Vorgänger Robert Fleck auch. Der ist mit seinem Kurs auf heftigen Widerstand gestoßen. Was werden Sie anders machen?
Wolfs: Wenn es um das effektive Kuratieren von Ausstellungen geht, ist die Gegenwartskunst mein Feld. Aber in Bonn bin ich Intendant, der das Gesamtprogramm verantwortet. Das habe ich schon in Rotterdam gemacht. Man muss seine Grenzen kennen.

Seit dem Finanzskandal im Jahr 2007 und den Turbulenzen rund um den Abgang von Robert Fleck im vergangenen Jahr steht es um den Ruf der Bundeskunsthalle nicht zum Besten. Was hat Sie bewogen, dennoch Ja zu sagen zu dem Angebot, Intendant der Bundeskunsthalle zu werden?
Wolfs: Es ist eine Herausforderung und es gibt ein Spannungsfeld. So etwas finde ich immer interessant. Das Spannungsfeld gründet sich auf die Frage: Wie kann man das alles zusammenbringen? Wie kann man ein Update hinkriegen, wie sollen Ausstellungen in der Zukunft aussehen? Es geht nicht um die Frage, wie viel oder wie wenig Gegenwartskunst zu sehen ist. Natürlich gehört sie zum Angebot einer Bundeskunsthalle. Aber man muss unterschiedliche Zielgruppen berücksichtigen, die muss man respektieren, und man muss die richtige Mischung zum richtigen Moment servieren.

Wie beurteilen Sie die Begehrlichkeiten aus Berlin mit Blick auf den Etat der Bundeskunsthalle?
Wolfs: Da muss man locker bleiben. Berlin und das Rheinland sind vollkommen verschiedene Welten.

Die Erwartungen an diese Bonner Institution, die sich der Bund 16 Millionen Euro pro Jahr kosten lässt, sind zu Recht hoch. Das Programm soll sich von dem anderer Häuser unterscheiden.
Wolfs: Das ist ja gerade das Spannende. Man hat die Aufgabe etwas Besonderes zu bieten, muss aber auch in der Breite wahrnehmbar sein. Das ist schwierig.

Mein Kasseler Kollege Dirk Schwarze hat ein wahres Loblied auf Sie und Ihre Arbeit am Fridericianum gesungen. Er klagte nur, die FAZ habe nichts davon registriert. In Bonn stehen Sie nun im Fokus . Belastet Sie das?
Wolfs: Die FAZ war da. Was den Druck angeht: Das ist ein positiver Reiz.

Robert Fleck wirkte nach nur zwei Jahren Intendanz ausgebrannt. Was hat er falsch gemacht? Wie gehen Sie Ihre Intendanz an? Werden Sie länger durchhalten?
Wolfs: Ich hab's vor. Ich habe im Leben schon viel ausgehalten. Was ich in Rotterdam insbesondere an politischem Druck erlebt habe, hat mich stark gemacht.

Pontus Hulten, Wenzel Jacob, Christoph Vitali und Robert Fleck haben als Intendanten Spuren im Programm der Bundeskunsthalle hinterlassen. Welche Akzente wird Rein Wolfs setzen?
Wolfs: Dafür ist es noch zu früh. Das Programm steht bereits fast für die nächsten zwei Jahre. Meine erste Frage ist, wie kann man gewisse Punkte im bestehenden Programm einfügen und so zeigen, dass es ein neues Profil gibt? Mittel- und langfristig wird sich etwas ändern. Ich hoffe, es wird ein spannendes Haus. Ich möchte ein Programm zeigen, das einen nicht unberührt lässt. Das Haus könnte mehr Emotion vertragen. Wichtig sind existenzielle Thematiken.

Funktioniert das über 20 Jahre alte Konzept der Bundeskunsthalle noch?
Wolfs: Man muss es modifizieren, aber darf das breite Angebot nicht über Bord werfen. Die Zeiten sind anders als vor 20 Jahren, wir brauchen eine andere Verführung. Die Inhalte müssen gar nicht verändert werden, nur der Umgang damit. Im Moment beobachte ich das Programm anderer Institutionen und überlege, was man in Bonn machen könnte. Vielleicht Ausstellungen mit eher gesellschaftspolitischer Thematik, oder Design, Architektur und Mode aus Deutschland.

Kritiker haben moniert, dass die Bundeskunsthalle in den letzten Jahren zu viele Ausstellungen wie "Pixar" oder "British Museum" eingekauft und zu wenige selbst produziert hat.
Wolfs: Manches muss man einkaufen, weil man es nicht an Deutschland oder am Rheinland vorbeiziehen lassen darf. Aber man sollte möglichst viel selbst produzieren. Dass man sich ganze Sammlungen ins Haus holt, davon halte ich nichts. Da muss man kreativer denken, interessantere Themen entwickeln.

Sie sind ja auch Ausstellungs-Kurator. Was haben Sie in Bonn vor?
Wolfs: Ich habe Ideen.

Konkretes?
Wolfs: Bald.

Ziehen Sie nach Bonn? Haben Sie etwas im Auge?
Wolfs: Wenn Sie Ideen haben? Ich freue mich darauf, in Bonn zu wohnen. Es ist wichtig, man muss die Stadt kennen. Ich bin auf der Suche, die Lage ist aber angespannt.

Zur Person:
Rein Wolfs, 1960 im niederländischen Hoorn geboren, hat Kunstgeschichte, Literaturgeschichte und Ästhetik in Amsterdam studiert. Er war Gründungsdirektor des "Migros Museum für Gegenwartskunst" in Zürich und kuratierte 2003 den niederländischen Pavillon der Biennale in Venedig. Von 2002 bis 2007 war Wolfs Ausstellungdirektor des Museums Boijmans van Beuningen in Rotterdam, 2008 wurde er künstlerischer Leiter des Fridericianum in Kassel. Vor zwei Wochen wurde er als neuer Intendant der Bundeskunsthalle berufen. Er tritt sein Amt am 1. März dieses Jahres an.

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