Halle Beuel Ingo Berks inszeniert die Tragödie "Am Katzenmoor"

Beuel · Am Donnerstag, 4. Juli, ist Ingo Berks Inszenierung der Tragödie "Am Katzenmoor" von Marina Carr zum letzten Mal in der Halle Beuel zu sehen; im Juni wird das Stück insgesamt sechs Mal aufgeführt.

 Tragödie am Katzenmoor: Nina Tomczak (vorn) als Hester Swane und Marina Lubrich als ihre Tochter Josie.

Tragödie am Katzenmoor: Nina Tomczak (vorn) als Hester Swane und Marina Lubrich als ihre Tochter Josie.

Foto: Lilian Szokody

"Am Katzenmoor" ist eine der besten Inszenierungen der erfolgreichen Ära Klaus Weise in Bonn. Wer sie verpasst, sollte sich ewig Vorwürfe machen. Eine Empfehlung: Jetzt gleich Karten bestellen!

Die Irin Marina Carr (Jahrgang 1964), die Klaus Weise für das deutsche Theater im Allgemeinen und Bonn im Besonderen entdeckt und deren Werke er mehrfach inszeniert hat, erzählt die Geschichte der gesellschaftlichen Außenseiterin Hester Swane. Für sie führt das Dorf oft das Z-Wort im Mund: Zigeunerin. Hester (Nina Tomczak) hat ein siebenjähriges Kind mit Carthage (Hendrik Richter), doch der hat sich der jungen Caroline zugewandt. Die Hochzeit der beiden steht kurz bevor.

Damit ist die Entwicklung des Stückes - der Weg in die Katastrophe - vorgezeichnet. Mit ungeheurer Wucht breitet Carr einen archaischen Tragödienstoff in der Sprache der Gegenwart aus. Es tritt ein Geist auf (Konstantin Lindhorst), ein Geisterfreund (Arne Lenk) und ein Katzenweib (Tanja von Oertzen), das gern Mäuse isst, Rotwein trinkt und wie Kassandra düster in die Zukunft blickt. Ein toter schwarzer Schwan, die alte Black Wing, darf hierfür als Symbol dienen.

Damian Hitz hat in der Halle Beuel eine mit feuchter Erde gefüllte, große Kiste aufbauen lassen: Das Spielfeld gleicht einem existenziellen Sumpf und einem Sarg. Das passt. Der Untertitel des Dramas könnte lauten: Eine Hochzeit und drei Todesfälle (ein Schwan und zwei Menschen).

Hester macht von Anfang an klar, dass sie nicht gewillt ist, erneut verlassen zu werden. Das hat ihr früh bereits die eigene Mutter angetan, das Trauma hat sie nie überwunden. Nina Tomczak als Hester entwickelt einen kalten Furor, eine brütende Aggression, schließlich eine maßlose Raserei, die dem Publikum in der Halle Beuel Angst machen kann. Tomczak wurde mit Recht gefeiert.

Aber der enthusiastische Applaus galt ebenso dem Regisseur Ingo Berk, Jahrgang 1975, der mit der Souveränität eines Altmeisters einen szenischen Höhepunkt an den anderen reiht. Die Duelle, Abrechnungen und Akte der Vergangenheitsbewältigung inszeniert Berk als Theater-Thriller: mal leise, mal schrill, mal intim, mal schlachtfeldhaft blutig. Am Ende brennt sogar die Bühne.

Das Ensemble gibt zum Finale der Ära Klaus Weise alles. Die Kraft der Sprache Marina Carrs transportieren die Darsteller ebenso virtuos und unvergesslich wie das Feuer der Konflikte. Hendrik Richter als Carthage vereint sympathische Züge mit einer totalitären Angriffslust. Rolf Mautz als Carolines Vater Xavier Cassidy ist ein Big Daddy aus dem Bilderbuch des Unmenschen.

Birte Schrein verkörpert mit Monica Murray eine schockierte, hochengagierte Beobachterin und Kommentatorin der Umstände. Julia Goldberg als Caroline hat das Schicksal zum Abschuss freigegeben - ihre Hochzeit hatte Caroline sich ganz anders vorgestellt.

Sensationell agiert Marina Lubrich als Josie, man glaubt der erwachsenen Schauspielerin das siebenjährige, eigenwillig charmante Kind. Wie Josie im Bühnenwahnsinn den Verstand zu verlieren droht, veranschaulicht Lubrich mit gespenstischer Intensität. Tatjana Pasztor ist hinreißend als Mrs. Kilbride, sie trägt die entspannten und komischen Momente der Inszenierung.

Tanja von Oertzen stapft als Katzenweib wie eine ins Mythische verpflanzte Beckett-Figur durch den Endzeit- matsch: ein geerdeter Geist. Arne Lenk macht gute Figur als Geisterfreund, Konstantin Lindhorst verbreitet als Geist des ermordeten Joseph Swane eine leise, zu Herzen gehende Melancholie.

Was für ein Finale der Intendanz Klaus Weise! Wer das verpasst ...

Auf einen Blick

  • Das Stück: Eine archaische Tragödie in der Sprache von heute.
  • Die Inszenierung: Ingo Berk führt Regie wie ein souveräner Altmeister.
  • Die Schauspieler: Nina Tomczak

ist überwältigend als Tragödin, ihre Kollegen agieren brillant.

Die nächsten Aufführungen: 1., 12., 14., 18., 26., 29. Juni, 4. Juli. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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