Karl-Theo Stammer im Kunstraum 21 Immer an der Kante lang

Bonn · Karl-Theo Stammer stellt unter dem Titel „Vorgezeigt“ in der Bonner Galerie Kunstraum 21 aus. Neue Arbeiten des Trägers der August-Macke-Medaille.

 Karl-Theo Stammer.

Karl-Theo Stammer.

Foto: Franz Fischer

„Es war wie die Vertreibung aus dem Paradies“, sagt Karl-Theo Stammer über den Augenblick vor zwei Jahren, als er keinen Zugang mehr zu einer Druckmaschine in einer privaten Kunstschule hatte. 1990 bis 2014 durfte er in diesem „Paradies“ arbeiten, lange Serien seiner Linoldrucke entstanden hier. Dann war Schluss. Der 1951 geborene Sinziger mit Lebensmittelpunkten in Bruneck (Südtirol) und Bonn musste sich neu orientieren. Unter dem Titel „Vorgezeigt“ dokumentiert die Galerie Kunstraum 21 diesen Prozess, den der Träger der August-Macke-Medaille des Jahres 2012 absolviert hat.

Neben im Druckerparadies entstandenen Linoldrucken der Jahre 1997 bis 2010 zeigt Galerist Hans Vetter Stammers Experimente nach der „Vertreibung“.Am Prinzip, die Möglichkeiten der Linie auszuloten, hat sich nichts geändert: Suchend tanzt sie über das weiße Blatt, findet ihren Platz. Beim Linoldruck gab Stammer einen Teil des Kunstprozesses an die Druckmaschine ab. Bei den aktuellen Zeichnungen nimmt er sich ebenfalls als Produzent zurück.

Stammer arbeitet mit Schablonen, mit Gegenständen, an denen entlangzeichnet, die er auf der Papieroberfläche bewegen kann. Immer wieder zeichnet er die Kontur nach. Oder er färbt den Rand eines Gefäßes mit Chinatusche ein und drückt es ein ums andere Mal auf das Blatt, wobei Zufallsstrukturen entstehen, sich satt eingefärbte Linien von brüchigen, verlöschenden Abdrücken absetzen. Langsam füllt sich die Fläche. Allmählich wird die Struktur der Umrisslinien unübersichtlich. „Irgendwann muss ich die Finger davonlassen“, sagt Stammer, „ich muss mich regelrecht dazu zwingen“.

Das Blatt, das er im Kunstraum 21 zeigt, befindet sich exakt in dem Stadium, wo es spannend ist und die Umrisse wirklich im weißen Raum zu tanzen scheinen. Ein Druck mehr, und es wäre womöglich vorbei mit der Beweglichkeit.

Mit einer gewissen Routine und einer Portion Risiko nähert sich Stammer dem weißen Blatt. Es reizt zum Experiment. Da entstehen feine Netzwerke aus Linien, er zeichnet die Kontur seiner linken Hand nach, die er leicht bewegt. Immer an der Kante lang. Tusche, Buntstift, sogar Textmarker kommen zum Einsatz – die Striche erscheinen frei schwebend und frei oder zur Schraffur gebündelt, akkurat auf Linie gebracht. Selbst wenn man Stammers Linolphase schätzt und deren Ende bedauert – die „Vertreibung aus dem Paradies“ hat seinem Werk gutgetan.

Kunstraum 21, Adolfstraße 36; bis 22. Oktober. Di-Fr 14-18, Sa 11-14 Uhr

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