Ehemaliger Kölner Museumschef schreibt seine Erinnerungen Im Flohzirkus der Moderne

Köln · Der ehemalige Chef des Museums Ludwig Kasper König hat sein Berufsleben aufgeschrieben. König war immer da, wo die Kunst gerade brummte.

Andere mögen ihre Schlüsselerlebnisse in der Kunst bei Raffael oder Goyahaben – bei Kasper König waren es Twombly-Zeichnungen „fast in der Art von Schmierereien auf öffentlichen Toiletten“. Nichts Erhabenes also, genau wie die erste Ausstellung, die der damals 19-jährige Volontär bei Rudolf Zwirner realisierte. Im Keller der Kölner Galerie stellten König und seine vier Kreativkumpels jene (kostbar gerahmten) Witze aus, die es damals an Raststätten als Zugabe zu einem Stück Seife und einem Papiertaschentuch gab. Läppische, oft sexistische Scherze, deren Pointe jedoch hier mit Tipp-Ex getilgt wurde.

So fing sie also an, die Karriere des heute 72-Jährigen, die das Buch „Best Kunst – Das Leben von Kasper König in 15 Ausstellungen“ anregend-amüsant Revue passieren lässt. Das Schöne daran: Der Leser glaubt, neben dem ehemaligen Direktor des Museums Ludwig zu sitzen, der schon in diesem Amt kein Blatt vor den Mund nahm. So erzählt der geborene Westfale, dass er sich in New York „halbwegs dilettantisch ans Geschehen rangerobbt“ habe, dabei aber eine (fast) kostenlose Warhol-Schau für Stockholm organisierte. „Es ging darum, wie man mit wenig Geld etwas macht, das auf den Zeiger haut.“

König war immer da, wo die Kunst gerade brummte: in Manhattan bei Gordon Matta-Clarks „Food“-Aktion oder 1972 auf der documenta 5, wo er Claes Oldenburgs „Mouse Museum“ wie einen Flohzirkus der Moderne präsentierte. Der Veteran hat für diesen Rückblick keineswegs nur die größten Events gebündelt, die enorm erfolgreiche Kölner Edward-Hopper-Ausstellung etwa bleibt eher Randnotiz. Das passt zu seinem Bekenntnis: „Auf einer Kunstmesse laufe ich nicht zu den vier, fünf sogenannten heißen Nummern, sondern ich gehe ganz stur rein und schau mir alles an.“

Klar, die „Skulptur-Projekte Münster“ dürfen nicht fehlen, ebenso wenig die „Westkunst“ von 1981: „Viele haben mich für bescheuert erklärt, weil sie dachten, dass sei Kalter Krieg.“ Aber „Köln war insofern eine ideale Stadt, weil sich Kunst hier plötzlich fast wie von selbst ausgesät hatte.“

Ganz nebenbei porträtiert der Autor die Großen der Kunst. Jan Hoet, „das war einer, der lodert, der brennt“, während König Markus Lüpertz „immer noch für einen pathetischen Pfingstochsen“ hält, „obwohl er so ein sympathischer Typ ist“. Um den Sprung vom Frankfurter Portikus ins riesige Kölner Museum Ludwig macht der Museumsmann wenig Gewese und erinnert vor allem an seine Präsentationen von Isa Genzken und Wolfgang Tillmans sowie die Abschiedsvorstellung „Vor dem Gesetz“. Es gab politisch heikle Ausstellungen wie 1999 „Sultan's Pool“ in Jerusalem mit israelisch-palästinensischen Konflikten („Es war Hängen im Schacht, da war nichts zu machen“). Oder die Sankt Petersburger „Manifesta“, mit der er 2014 in Russlands neo-autoritäre Phase geriet. Von der in elitären Kunstzirkeln geläufigen Selbstbeweihräucherung ist bei diesem weit gereisten Macher keine Spur. Manchmal findet er den ganzen Betrieb „auch sehr beschämend“ und sagt sich: „So, jetzt bleib mal auf dem Boden, Ball flach halten, so doll ist das alles auch nicht. Du hast das Rad nicht neu erfunden.“

Mag ja sein, aber hat es mächtig rotieren lassen.

„Best Kunst – Das Leben von Kasper König in 15 Ausstellungen“. Strzelecki Books, 72 S., 9,80 Euro. Jedes 10. Buch enthält eine originale Postkartencollage des Autors.

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