GA-Interview mit Sven Regener "Ich singe heute weniger theatralisch als früher"

BONN · Die Berliner Band Element of Crime gastiert im Juli auf dem Bonner Kunst!Rasen. Wir haben mit Sänger Sven Regener gesprochen.

 Der Sänger Sven Regener der Band Element of Crime.

Der Sänger Sven Regener der Band Element of Crime.

Foto: picture alliance / dpa

Für seine Verdienste erhielt Regener in diesem Jahr vom Land Rheinland-Pfalz die renommierte Carl-Zuckmayer-Medaille. Ministerpräsidentin Malu Dreyer nannte den Autor und Sänger mit der knarzigen Stimme in ihrer Laudatio „erfrischend kompromisslos“. Aber auch in seiner Heimatstadt hat der gebürtige Bremer einen ganz speziellen Preis erhalten. Jetzt geht der Sänger mit seinem Quartett auf Tournee, am 14. Juli gibt es ein Konzert auf dem Bonner Kunst!Rasen. Mit Sven Regener sprach Olaf Neumann.

Herr Regener, Sie sind neuer Bremer Kohlkönig und damit Nachfolger von Hannelore Kraft. Welche Pflichten sind mit dieser Regentschaft verbunden?

Sven Regener: Ich habe es noch nicht herausgefunden. Wenn jemand Fragen zum Thema Grünkohl oder – wie die Bremer sagen – „Braunkohl“ hat, kann er mich ja ansprechen.

Mehr gibt es da nicht zu tun?

Regener: Die Auszeichnung ist eher so eine Bremer Selbstbespaßung, die schon seit langem in der Bremer Landesvertretung in Berlin läuft. Der Titel ist so bizarr, das musste ich einfach machen.

Wie hat Ihr persönliches Umfeld reagiert?

Regener: Tante Marga wäre stolz auf mich gewesen. Meine Mutter ist es auch!

Mit Ihrer Band haben Sie unlängst eine Vinyl-Platte mit vier Songs aufgenommen. Ist das der Vorbote eines neuen Albums?

Regener: Soweit kommt’s noch! Unser Album „Lieblingsfarben und Tiere“ ist ja erst anderthalb Jahre alt. Diese Zwischenveröffentlichung ist wie eine Single mit einem neuen Lied. Es war interessant, so was mal ohne einen Albumkontext zu machen.

Diskutieren Sie im Studio noch viel über Sounds und Stile?

Regener: Über den Stil muss man in einer richtigen Band nicht mehr diskutieren. Er ergibt sich aus der Summe der Freaks, die da zugange sind. Durch unsere vielen Platten gibt es ein Referenzsystem. Dieser gemeinsame Erfahrungsschatz reicht aber nur bis zu einem gewissen Punkt, weil man auch nach all den Jahren noch Überraschungen erleben kann und will.

Wie wandelbar ist Element Of Crime?

Regener: Innerhalb unseres Stils sehr wandelbar. Das sieht man an den Cover-Versionen, die wir gemacht haben. Wir können ein Lied von Wham!, Bob Dylan oder von Franz-Josef Degenhardt spielen – und es klingt immer noch nach Element Of Crime. Eigentlich sind wir sehr frei.

„You’re Gonna Need Sombeody On Your Bond“ ist ein Gospel-Blues von Blind Willie Johnson aus dem Jahr 1930. Welche Haltung nehmen Sie ein, wenn Sie diesen Song singen?

Regener: Ach, einfach spielen! Ein gutes Lied bleibt immer jung. Wir haben hier aber den Text von der Donovan-Version genommen. Er weicht etwas ab vom Original, das einen Predigtcharakter hat. Da wir auf dem Predigtsektor nicht so viel zu tun haben, ist es für uns die passendere Version.

Was reizt Sie sonst am Stück?

Regener: Diese Bluesmusik auf nur einem Akkord kommt uns sehr entgegen, weil wir schon immer mit minimalen Mitteln gearbeitet und auch mal Songs mit nur zwei Akkorden gemacht haben. Aber jetzt mal nur einer – das ist faszinierend, weil dabei alles am Groove hängt.

Die Amerikaner können sich auf Gospel und Blues berufen. Und die Deutschen?

Regener: Auf den Schlager – und natürlich diese ganzen Bänkellieder. Wir waren kürzlich auf dem Brecht-Festival in Augsburg und haben dort ein paar Brecht/Weill-Klassiker gespielt. Bert Brecht ist die Mutter allen Deutschrocks, was die Texterei betrifft. Von seiner drastischen Sprache kann man viel lernen. Das Zusammentreffen von Brecht und Weill war eine Sternstunde des Songwritings. Aber auch aus dem, was man hierzulande als Volksmusik empfindet, kann man sehr viel schöpfen. Sie hat sogar Eingang in die amerikanische Musik gefunden.

Was meinen Sie damit?

Regener: Mein alter Trompetenlehrer erklärte mir mal, dass der Sound deutscher Blaskapellen im amerikanischen Jazz durchaus eine Rolle gespielt hat.

Was fasziniert Sie an der amerikanischen Musik?

Regener: Dass sie alle Einflüsse der verschiedenen Einwanderer zusammenbringt. Wie bei einem Eintopf mit 30 Zutaten. Der Rock’n’Roll kommt aus dem Blues und der Soul aus einer Verbindung von Blues und Gospel. Es bringt gar nichts, sich da auf eine reine Lehre zu beziehen. Musik ist die Sprache der Welt.

Sie haben Ihren Klassiker „Damals hinterm Mond“ neu aufgenommen. Was haben Sie diesem Song noch hinzuzufügen?

Regener: Die Aufnahme auf dem gleichnamigen Album war sehr speziell und um ein Keyboard herum gebaut. Das habe ich damals noch bei unseren Konzerten gespielt, ein Erbstück von meiner Oma. Später entwickelten wir von diesem Stück eine gitarrenbasierte Version, die wir bis heute live spielen und jetzt einfach mal aufgenommen haben.

Haben Sie im Text etwas entdeckt, was Ihnen selber noch gar nicht klar war?

Regener: Nein. Aber Songs, die live gut funktionieren, werden einem komischerweise nicht langweilig, obwohl man sie immer und immer wieder singt.

Wie hat sich Ihre Art zu singen verändert?

Regener:Seit „Damals hinterm Mond“ ist viel passiert. Ich singe heute weniger theatralisch als früher. Am Anfang habe ich aus Angst, missverstanden zu werden, beim Singen die Texte übertrieben ausgedeutet. Rückblickend finde ich das faszinierend, aber später bekam ich mehr Vertrauen in die Wirkung des Songs und brauchte dieses Überagieren nicht mehr.

Achten Sie auf Ihre Stimme?

Regener: Da gibt es zum Glück nichts zu achten. Ich muss auch nichts tun, um meine Stimme frisch zu halten. Es ist immer gut, wenn wir vor einer Tour ein paar Proben gemacht haben, weil die Stimme ihre raue Qualität erst dann bekommt. In diesem Modus bleibt sie dann auch.

Was ist bei Element of Crime zuerst da: Text oder Musik?

Regener:Bei uns ist immer zuerst die Musik da.

Und dann träumen Sie sich in die Musik hinein, um herausfinden, um was es dabei wohl gehen könnte?

Regener: Genau so ist es. Man trägt die Melodie mit sich herum, und irgendwann kommen die Wörter. Das ist ein absichtlich sehr unterbewusster Prozess. Im Übungsraum nehmen wir nur die Ideen an, bei denen wir das Gefühl haben, dass der Text da schon drin ist. Man muss ihn nur finden.

In welcher Atmosphäre schreiben Sie? Turmzimmer mit Blick auf die Spree?

Regener: Nein, kein Turm und kein Blick auf die Spree! Ich wohne in einer ganz normalen Wohnung und arbeite am liebsten zu Hause, weil man bei Musik seine Ruhe braucht. Ich bin extrem gründlich darin, mich selbst auszuforschen.

Ist Musiker auch ein dienstleistender Beruf?

Regener: Interessante Frage. Ich würde sagen, nein. Man geht in ein Restaurant und bestellt sich ein Spiegelei. So funktioniert Dienstleistung. In der Kunst funktioniert sie nicht. Einen Künstler, der sich als Dienstleister sieht, nimmt man nicht ernst.

Warum nicht?

Regener: Man erwartet von einem Künstler außergewöhnliche und rätselhafte Leistungen, die man nicht bestellen kann. Wenn wir Songs schreiben, können wir uns nicht dabei noch Gedanken machen, wie sie wohl die Leute finden werden, für die wir glauben, sie zu machen. Wir können nur das machen, was wir selber gerne hören möchten.

Empfinden Sie einen gesellschaftlichen Auftrag?

Regener: Wir nehmen keine Aufträge entgegen. Einen gesellschaftlichen Auftrag gibt man einem Sozialarbeiter, das ist ein ehrenwerter Beruf. Der Künstler als Sozialarbeiter ist keine gute Idee. Wobei ich auch nicht davon ausgehe, dass Sozialarbeiter unbedingt singen müssen. Manchmal tun sie das trotzdem.

Was kann man von Ihrer neuen Tournee erwarten?

Regener: Wir werden neue Songs spielen, weil sie so schön neu sind. Zudem genießen wir den Luxus, unter vielen alten Liedern auswählen zu können.

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