Kammermusikfestival des Beethoven-Hauses Höchstleistung in der Königsdisziplin

BONN · Das Abschluss-Wochenende beim Kammermusikfestival des Beethoven-Hauses zog mit anspruchsvollem Programm noch einmal viel Publikum an.

 Festival-Leiterin Tabea Zimmermann (ganz links im Bild) im Kammermusiksaal.

Festival-Leiterin Tabea Zimmermann (ganz links im Bild) im Kammermusiksaal.

Foto: Barbara Frommann

Versuch über die Fuge" war das Abschlusskonzert der Beethoven-Woche am Samstagabend überschrieben, in das der Musikwissenschaftler Ulrich Konrad ebenso eloquent wie verständlich einführte. Den Titel hatte man Jörg Widmanns fünftem Streichquartett entlehnt, das - ergänzt um eine Singstimme - um die Vollendung einer Fuge kreist und dabei mit zahlreichen Zitaten arbeitet.

Das finnische Ensemble mit dem vieldeutigen Namen META4 und die Sopranistin Mojca Erdmann widmeten sich diesem spannenden Werk, das zwar düstere Texte von Tod und Vergänglichkeit verwendet, selbst aber alles andere als düster ist. Widmann hat hier eine hochexpressive, dichte Musik geschaffen, die sich nicht nur durch den Rückbezug auf die Gattungstradition definiert, sondern neue Wege geht, in dem sie diese Tradition reflektiert, aufbricht und neu definiert. das Ergebnis war ein reizvolles Werk, das durch META4 und die wunderbare Stimme von Mojca Erdmann eine ungemein intensive Wirkung entfaltete. Insbesondere das finnische Streichquartett glänzte mit nachdrücklichem Spiel.

Das legte es auch bei Wolfgang Amadeus Mozarts Adagio und Fuge c-Moll (KV546) an den Tag. Man inszenierte das Werk regelrecht, spielte wild, ungestüm und voller Theatralik und legte den Fokus eher auf den dramaturgischen Verlauf und große Spannungsbögen als auf die zahlreichen kontrapunktischen Verästelungen, mit denen Mozart hier spielt. Ganz anders der Beginn von Ludwig van Beethovens cis-Moll-Quartett op. 131. Hier atomisierte man das Fugenthema zu Beginn regelrecht, ließ alles in musikalischer Zeitlupe ablaufen und beleuchtete so jeden Ton, jeden Akzent, jede Veränderung. So entstand ein einzigartiges Hörerlebnis, dem auch der Rest des Quartetts in nichts nachstand. META4, so viel steht auf jeden Fall fest, gehört zu den aufregendsten Kammermusikformationen, die die Klassik-Szene derzeit zu bieten hat.

Wenn "Yesterday" von den Beatles zur Fuge wird

Mit Fugen, Fugen und nochmals Fugen begann am Freitagnachmittag der vorletzte Tag des Festivals. Der Organist Johannes Geffert schlug dazu in der Namen-Jesu-Kirche den zeitlichen Bogen von Girolamo Frescobaldi bis hin zu Friedrich Gulda, die stilistische Bandbreite reichte dabei von der Königsdisziplin in Form der gewaltigen, von Thomas Daniel vollendeten Quadrupel-Fuge aus Bachs "Kunst der Fuge" bis hin zu einer kurzweiligen Fuge über den Beatles-Song "Yesterday" von Eugenio Maria Fagiani.

Ein weites Feld also, das Geffert jedoch in gewohnter Souveränität beackerte. Die Idee etwa, Bachs Es-Dur Präludium (BWV 552) auf der Hauptwerkstrompete basierend zu registrieren, hatte etwas für sich, allein erwies sich dieses Register doch als zu schwachbrüstig, als dass das Konzept voll aufgehen konnte. Die nachfolgende Fuge war jedenfalls wunderbar stringent dargestellt, ebenso wie die Fugen-Miniaturen von Fischer und Haydn, die dieses illustre Programm komplettierten.

In der Kurve zur Zielgeraden der "Beethoven-Woche", dem in der Publikumsgunst bereits hoch stehenden neuen Kammermusikfestival des Bonner Beethoven-Hauses, das sich in diesem Jahr dem "Versuch über die Fuge" verschrieben hat, gab es nach Gefferts Orgel-Soiree dann im Kammermusiksaal zunächst ein Konzert unter dem Motto "Das Künstlichste und Schönste in der Musik". Neben originalem Mozart (KV 563) seine Bach-Bearbeitungen (KV 404a) sowie Bachs Mehrstimmigkeit suggerierende g-Moll-Sonate für Violine solo in einer Fassung für die Viola. Die künstlerische Leiterin des Festivals, die Bratscherin Tabea Zimmermann, die auch Vorsitzende des Vereins Beethoven-Haus ist, hatte mit Daniel Sepec, Violine, und Jean-Guihen Queyras, Violoncello, sehr unprätentiös einen jede Stimme zu ihrem Recht kommenden Mozart musiziert, der vor allem im Andante des Es-Dur-Divertimento, einem camouflierten Variationensatz, durch große Innigkeit überzeugte.

Hernach besann sich das junge Festival auf eines seiner Alleinstellungsmerkmale und schloss unter dem Motto "Tango-Fugen" Bach mit seinen produktiven Rezipienten Juan Carlos Cobián, Astor Piazzolla, Julio de Caro und Sverre Indris Joner - kurz: Tango Nuevo, die veredelte Form, durchsetzt mit Teilen aus der "Kunst der Fuge". Eine nahezu geniale Mischung, die durch das glänzend aufeinander eingestimmte Trio des norwegischen Bandoneonisten Per Arne Glorvigen (neben Glorvigen Daniela Braun, Violine, und Arnulf Ballhorn, Kontrabass) beim Publikum für Euphorie sorgte.

Bis zum Beethoven-Jahr 2020 soll sich das Festival nach dem Willen des Beethoven-Hauses zu einem Kammermusikfest entwickeln, das nicht nur Publikum in der Region ansprechen, sondern auch weit darüber hinaus wahrgenommen werden soll.

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