Hinter den Türen lauert das Grauen

Die neue, in der Beueler Brotfabrik uraufgeführte Choreographie des Bonner Tanzduos Cerna & Vanek "No Fear, No Die" beschreibt eine selbstironisch gewürzte Berg- und Talfahrt der Gefühle

Bonn. Beinahe hätten sie die vielen Zuschauer gleich wieder nach Hause geschickt - vor lauter Angst, dass irgendwas schief gehen könnte.

Natürlich ist es nur einer der vielen kleinen ironischen Tricks, wenn Vanek am Anfang seinen Kopf durch den imaginären Vorhang steckt und mit Fistelstimme verkündet, dass man die Dramaturgie des Abends schamhaft so lange eingeschmolzen habe, bis jetzt nur noch diese Ansage übrig geblieben sei.

Von der Angst handelt das neue Stück "No Fear, No Die" des bekannten Bonner Tanzduos Eva Cern und Karel Vanek, das als Koproduktion mit der Brotfabrik ebendort uraufgeführt wurde.

Es ist die Angst vor dem Geborenwerden, bei der sich Vanek nackt im Halbdunkel windet, es ist die Angst vor geheimnisvollen Türen, hinter denen das Grauen lauert, es ist die Angst vor dem Erfolg und vor dem Versagen, vor dem Liebesverlust, vor dem Alter und dem Tod.

Die beiden haben dafür viele schöne, kleine Szenen erfunden, zu denen die eigenen und fremde Stimmen aus dem Off Geschichten erzählen oder bei denen sie sich gegenseitig unmittelbar in sprachliche und tänzerische Dialoge verwickeln.

Da träumt sie von den Altangstlasten, die man irgendwo verstecken könnte, um sie später teuer an Horrorfilmer zu verkaufen. Da macht er schnaufend Fitnessübungen, um den Verfall zu bremsen und mit den Gliedern auch die Zukunft zu strecken.

Sie probieren vergeblich die absonderlichsten Therapien aus, kommen zu dem Schluss, dass gegen die Angst nur guter Sex hilft, der aber gleich wieder neue Ängste produziert.

Bei ihrer Berg- und Talfahrt durch die Gefühle sind sie manchmal furchtlos komisch, manchmal hilflos traurig, manchmal anrührend verzweifelt, aber nie sentimental.

Ihre ganz originäre Stärke entfalten sie vor allem in ihren kraftvoll getanzten Duos, in denen sie sich halten, stützen, kühn durch die Luft wirbeln und frech über den Bühnenboden jagen - mit einer körperlichen Nähe und Intimität, die nur bei einem seit vielen Jahren aufeinander eingespielten Paar möglich ist.

Aber auch mit einem Mut zum selbstironisch spielerischen Witz, der alle Ängste ad absurdum führt.

Frank Chamier hat dafür einen wunderbar einfachen, klaren Raum geschaffen: eine leere schwarze Bühne mit einem Vorhang aus runden, aus Zeitungspapier zusammengeklebten Scheiben, die das präzise Licht von Markus Breuer mit verschieden Projektionen raffiniert zum Leuchten bringt.

Begeisterter Beifall dafür, dass das Ensemble Cern & Vanek Dance das dramatische Muster von Furcht und Schrecken aufgelöst hat in Heiterkeit und Hoffnung: Angst ist überlebensnotwendig, Furcht kann man überwinden und dadurch eine Menge Lebenslust gewinnen.

Die nächsten Vorstellungen am Freitag und Sonntag um 20 Uhr in der Brotfabrik, weitere Termine am 1., 2. und 3. Dezember; Kartentelefon: (02 28) 42 13 10.

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