Morenhovener Kabarett-Tage Hinter den Kulissen wird seit gut 25 Jahren gezapft, gekocht und umgeräumt

SWISTTAL-MORENHOVEN · Freitag, kurz nach 22.30 Uhr. Die letzten Worte des Dortmunder Kabarettisten Hubert Burghardt sind just verklungen. Der Blick streift die Stühle und die Beistelltische dazwischen. Das sieht nach Arbeit aus: Tische raus, zusätzliche Stühle rein.

 Hinter den Kulissen der Kabarett-Tage: La Signora in der Garderobe.

Hinter den Kulissen der Kabarett-Tage: La Signora in der Garderobe.

Foto: Roland Kohls

Denn wenn man seit 1996 über die Morenhovener Kabarett-Tage berichtet und im Laufe der Jahre "ein paar" Rezensionen verfasst hat, und wenn es nunmehr darum geht, hinter die Kulissen des renommierten Kleinkunstfestivals zu schauen, kann man auch gleich mit anpacken.

Der Künstler steht draußen, raucht eine Zigarette. Vielleicht denkt er an die lange Heimfahrt, vielleicht auch daran, dass es besser hätte laufen können: trotz bemerkenswerter Gedanken zum Thema Datenschutz und einer durchaus gelungenen Reminiszenz an den vor kurzem verstorbenen Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki. Vielleicht lag's am irreführenden Titel "Sex in der Krise", vielleicht auch daran, dass ein Rüffel für den Fotografen und einer für den Techniker sich nicht unbedingt im Applaus auszahlen. Was soll's: Burghardt mag seine Lektion gelernt haben. "The Show must go on."

Also zurück in den Saal, wo Frank Müller - Mitbegründer der Kreativitätsschule Morenhoven und der zehn Jahre später daraus hervorgegangen Kabarett-Initiative KuSS (Kultur und Spektakel im Swisttal) - zusammen mit "Barmann" Rainer Timm schon die ersten Stühle vom Sackkarren lädt. Schön vorsichtig, denn die Einrichtung im Krea-Forum ist so gut wie neu.

Früher, als die alte Schule Morenhoven noch Krea-Theater hieß, standen im Saal gut 80 schwarze Klappstühle, die samt Sitzkissen nach der Vorstellung in den großen schwarzen Kästen in der letzten Reihe verstaut wurden. Die Plätze auf diesen Kästen wiederum - eigentlich für KuSS-Helfer reserviert - waren selten und begehrt; zusehends auch bei den zahlenden Gästen.

Was schließlich dazu führte, dass besagte Helfer, die bis zum Beginn der Vorstellung an der Kasse gesessen oder hinter der Bar gestanden hatten, sich ziemlich dünne machen mussten, damit auch alle noch auf die Bank passten. So eine Bank gibt es auch jetzt noch - links der Tür - , und sie zieht nach wie vor begehrliche Blicke auf sich. Wie schön, dass sich manche Dinge nie ändern.

Andere umso mehr: Der beige gesprenkelte Steinboden, die Toiletten mit der gelegentlichen Duftnote "Eau de Canal", die urige Bar im Western-Stil und das Pappmaché-Krokodil im Foyer - alles Geschichte. Erinnerungen, die auch bei Stammgästen bereits verblassen. Was wiederum der Tatsache zu verdanken ist, dass der Kabarett-Tempel an der Vivatsgasse auch nach Umbau und Rundumsanierung seinen unverwechselbaren Charme hat bewahren können. Klaus und Elisabeth Grewe wissen die Komplimente des "alteingesessenen" Publikums zu schätzen.

Haben sie doch zusammen mit Frank und Inge Müller das Kind seinerzeit aus der Taufe gehoben und das Festival nun schon seit mehr als 25 Jahren fest im Griff. So wie weitere helfende Hände hinter der Bühne. Die von Jens und Tanja Winkelmann zum Beispiel: er ein Krea-Kind der ersten Stunde, seine Frau aus dem Team schlichtweg nicht mehr wegzudenken. Ebenso wenig wie die Vorsitzende der Kreativitätsschule Ursula Fasselt, der stets tatkräftige Karsten Feuerborn, Knut Dittrich und Claudia Thiel, Hans-Willi Friedrichs und seine Frau Marianne, die in der Küche schon mal den Nudelsalat und das Baguette für das Abendessen nach der Vorstellung vorbereitet.

Das hat Tradition. Künstler erzählen sich davon, wenn sie sich andernorts begegnen. Und wie in einer Großfamilie heißt es zulangen. Wer hier nicht satt wird, ist selbst schuld. Es ist Samstagabend, 19 Uhr. "Hajo von der Technik" hat mit Carmela de Feo den Soundcheck gemacht und studiert nun noch einmal die Setlist. Zwischen den Stehtischen draußen bahnt sich eine auf den ersten Blick unauffällige Frau mit weißer Bluse und Chucks ihren Weg, legt Postkarten aus. Eine Stunde später hat sie sich in ein Temperamentsbündel verwandelt, vor dem selbst Mafiabosse erzittern würden.

Mit Chuzpe und Charme, mit schwarzem Haarnetz, hochgeschlossener Bluse und einem dunkelgrau-gestreiften knöchellangen Rock. Das ist La Signora. Die sich nicht scheut, ihr Publikum direkt anzugehen, die sich auf abenteuerliche Weise verrenken kann und einen Schatz besitzt, den nicht jeder sein Eigen nennt: Selbstironie. Einer der Höhepunkte der Saison 2013, zweifellos. Schade nur, dass sie nicht mehr zum Essen bleiben kann. Aber keine Sorge: Da wären dann noch die üblichen Verdächtigen. Und die sind bislang noch mit jeder gedeckten Tafel fertig geworden. Garantiert.

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