Herbert Grönemeyer begeistert 40 000 Fans

Mit alten Hits und Songs des neuen Albums "Schiffsverkehr" hat der 55-jährigen Sänger am Montagabend das Rhein-Energie-Stadion zum Beben gebracht - trotz technischer Probleme.

Herbert Grönemeyer begeistert 40 000 Fans
Foto: Thomas Brill

Köln. Wenn Herbert Grönemeyer ruft, ist es ein Großereignis. Es kommt zum Volksfest. Überall in Köln strömen Massen auf allen verfügbaren Wegen in Richtung Rhein-Energie-Stadion. Wo die Menschenflüsse nicht weiterkommen, etwas weil die Straßenbahn zu voll und schwer ist um weiterzufahren, suchen sie sich neue Wege wie Wasser auf dem Weg zum Meer.

Erst am Stadion selbst wird es ruhiger. Viele liegen auf der großen Wiese, wo Pommesbuden und Pizzastände aufgebaut sind. Eine Hüpfburg würde rein optisch passen, Kinder allerdings sind keine da. Nur ordentlich angezogene, gut verdienend aussehende Erwachsene zwischen 30 und 50, und zwar nicht weniger als 40 000 von ihnen.

Um halb neun zeigt sich ihnen Herbert Grönemeyer gleich doppelt: als kleiner Mensch auf der Bühne und als überdimensionaler Schiffskapitän auf riesigen Bildschirmen. Unter dem tosenden Jubel, der ihm und den ersten Tönen von "Schiffsverkehr" entgegenbrandet, bemerkt man es nicht gleich, aber es gibt technische Probleme: Der Sound ist eine Katastrophe.

Die Höhen klirren, die Bässe wummern mehr als dass sie drücken, und matschige Mitten verwandeln die zahllosen kompositorischen Feinheiten vor allem jüngerer Songs in einen konturlosen, klebrigen Klangbrei. Im Verlauf des Abends bessert sich der Klang, kommt aber nie über ein für ein Konzert diesen Ranges peinlich niedriges Niveau hinaus. Die ersten paar Songs, "Kreuz meinen Weg" und "Fernweh", gehen jedenfalls baden.

Anderes wiederum kann gar nicht baden gehen. "Bochum" etwa ist viel zu groß dafür, das kennt jeder einzelne so gut, dass eh niemand wirklich zuhört. Außerdem sind die Leute mit Singen beschäftigt und dem Hochrecken blauer VfL-Schals. Ein Hauch von Ekstase weht in solchen Momenten durch das Stadion. Grönemeyer, in grauem Jackett und leuchten weißen Turnschuhen, fegt über die weit ins Publikum ragende Bühne und tanzt fast übermütig.

Er kommuniziert unablässig und bedankt sich für jeden Applaus. Trotz des Laufpensums: Er singt, faucht und schreit fehlerfrei. Jede seiner nach wie vor einzigartigen Phrasierungen sitzt punktgenau, das charismatischste Knödeln der Republik befindet sich in Bestform. Besonders in den Balladen kommt das zur Geltung, und es gibt viele davon.

Gleich mehrere Klaviere stehen auf der Bühne, und manchmal läuft Grönemeyer abwechselnd von einem zum anderen, um immer mehr Exponate seines unendlichen Repertoires zutiefst sentimentaler Lieder hervorzuholen. "Halt mich", "Deine Zeit" oder "Der Weg": Es geht um die Liebe, um Verlust und das Älterwerden, und wo eben noch Ekstase und Energie waren, greift andächtige Stille um sich, manchmal unterstützt von Wunderkerzen.

Dass solche Atmosphären nie überhand gewinnen, dafür sorgt die souveräne, entspannte und humorvolle Ausstrahlung des Sängers, Lieder wie "Alkohol", "Männer" und "Was Soll Das", aber auch das spektakuläre Bühnenbild mit seinen hübschen Lampen, Lasern und aufwendigen Videos.

So richtig zur Geltung kommt das alles nur bei Dunkelheit, insofern ist es gut, dass Grönemeyer weit über zwei Stunden spielt. Nicht nötig gewesen wäre allerdings, das Ende in gleich drei Zugabeblöcken zu verpacken, inklusive Abschiedszeremonien, Pausen und mehrmaliger, wenig überraschender Wiederkehr.

Das Publikum erträgt im Tausch gegen Unverzichtbares wie "Flugzeuge im Bauch" und Unerwartetes wie das großartige "November" jedoch jede Länge und bedankt sich mit langem Applaus. Die 40 000 fließen zufrieden zurück in die Nacht - der Käpt'n hat gute Arbeit geleistet.

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