Heiraten ist immer ein Risiko

Walter Ullrich setzt im Kleinen Theater Bonn in seiner Inszenierung von Bobricks "Wochenendkomödie" auf pointierten Witz und den Zusammenprall zweier Lebenswelten, die nicht nur durch das Alter getrennt sind

Heiraten ist immer ein Risiko
Foto: Kleines Theater

Bonn. Wenn Peggy im sexy schwarzen Fummel auftaucht, brummt Frank "Is was mit der Oma?" Die beiden sind nämlich seit etlichen Jahren im sicheren Hafen der Ehe gelandet, wo die Stürme der Leidenschaft bekanntlich nur noch sanfte Wellen schlagen.

Ein romantisches Wochenende in trauter Zweisamkeit haben sie sich vorgestellt und dafür ein kuscheliges einsames Landhäuschen gemietet (hübsch rustikales Bühnenbild mit Hirschgeweihen an der Wand: Frank Joseph). Genau genommen war's Peggys Idee - das mit dem Kuscheln sowieso. Frank hat immerhin so viele Vorräte ins Auto gepackt, dass man damit glatt die nächste Eiszeit überstehen könnte.

Bevor Peggys heißes Outfit Franks harte Schale angetaut hat, geschieht natürlich das, was in einer Boulevardkomödie passieren muss: Die Tür geht auf! Jill und Toni haben das Häuschen nämlich ebenfalls gemietet. Die beiden sind jung, unverheiratet und wollen in trauter Zweisamkeit den Jahrestag ihrer noch einigermaßen frischen Beziehung feiern. Großzügig bietet Frank ihnen schließlich sogar das Schlafzimmer an, und teilt mit seiner enttäuschten Gattin halt das Sofa.

Angesichts seiner Verdauungsprobleme keine gute Idee, denn der Weg zum Bad führt durchs Liebesnest. Klar, dass in der "Wochenendkomödie", die der amerikanische Erfolgsautor Sam Bobrick gemeinsam mit seiner Frau Jeanne verfasst hat (eheliche Erfahrung ist dem beliebten Stück durchaus anzumerken), bald die Fetzen fliegen. Der Neid auf Jung und Reich knallt mit voller Wucht auf die Verachtung von Alt und bescheidenem Wohlstand.

Prinzipal Walter Ullrich setzt im Kleinen Theater Bad Godesberg in seiner Inszenierung vor allem auf den pointierten Witz des verbalen Schlagabtauschs, aber auch auf den Zusammenprall zweier nicht nur durch das Alter getrennter Lebenswelten. Karl Knaup ist der kleinbürgerliche Selfmademan Frank, Händler für Bürobedarf, jovial selbstbewusst und so rücksichtslos wehleidig, wie es nur Männer in den besten Jahren fertigbringen.

Ein Fiesling, der mit beiden Füßen in jedes Fettnäpfchen trampelt, ein infantiler Patriarch, der seinen amerikanischen Traum mit Zähnen und Klauen verteidigt bis zum trotzigen Absingen der Nationalhymne mit entblößtem Hinterteil. Dass Peggy es mit ihm so lange ausgehalten hat, muss einen Grund haben, der über die pure Gewöhnung hinausgeht.

Claudia Neidig spielt nicht nur das unterdrückte, frustrierte Hausmütterchen, sondern eine durchaus patente Frau, die längst begriffen hat, was sie trotz allem an diesem miesen Typen hat und was sie vom Leben sowieso nicht mehr kriegt. Dass sie beim Klamottenkauf immer haarscharf neben dem guten Geschmack liegt (Kostüme: Hilde Küster) muss sie nicht gleich melancholisch machen.

Ihr gutes Herz unter dem prallen Busen und ihr sarkastisches Mundwerk machen solche Ausrutscher locker wett. Zumal sie an diesem herrlich verkorksten Wochenende ihrem Frank mal so richtig die Meinung geigen kann. Sie leidet, aber sie lebt! Sicher, die beiden lässig eleganten Youngsters haben's leicht. Toni (als sympathischer Sonny-Boy: Bo Lander) hat Papas Firma und Konto im Hintergrund, was für einen Porsche, kistenweise Champagner und schicke Europareisen reicht.

Jill (mit viel Grips unter dem Blondschopf: Sandra Krolik) kapiert schnell, dass romantischer Kerzenschein irgendwann an der Kochplatte endet. Sicher, die beiden Alten auf ihren eingefahrenen Gleisen sind lächerlich, langweilig, lustlos. Haben aber was: Nämlich so was schrecklich Blödes, was man geradezu Liebe nennen könnte. Weil ein schlechtes Beispiel immer noch besser ist als gar keins, macht Jill also ihrem widerstrebenden Toni einen Heiratsantrag.

Sicher ist sicher, und ein Sturm ist im Hafen mit weiblichen Lotsen einfacher zu besänftigen als auf hoher See. Dass ein bisschen Kuscheln auf dem sorgsam vertäuten Dampfer netter ist als Holzhacken, nehmen Frank und Peggy in ihren Alltag mit. Ihr nächster Wochenend-Urlaub ist sowieso eine Messe für Bürobedarf, also garantiert ungefährlich.

"Heiraten ist immer ein Risiko" - darüber sollte man aber nicht zwingend vor dem weihnachtlichen Fest der Liebe nachdenken, zumal diese Komödie im Kleinen Theater erst ab April auf dem Spielplan steht. Rein statistisch ist die bürgerliche Ehe auf dem Boulevard sowieso deutlich überrepräsentiert.

Die nächsten Vorstellungen am 12., 13., 14. Dezember und vom 26. Dezember bis zum 23. Januar fast täglich. Kartenbestellungen unter der Telefonnummer (02 28) 36 28 39.

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