"Hauptsache Arbeit": Bonner Haus der Geschichte zeigt Arbeitswelt nach 1945

Strampeln, bis die Erkenntnis kommt

"Hauptsache Arbeit": Bonner Haus der Geschichte zeigt Arbeitswelt nach 1945
Foto: Franz Fischer

Bonn. Man gewöhnt sich mit der Zeit an alles. Und davon habe ich dann auch meine Schwerhörigkeit gekriegt." So lakonisch erinnert sich der ehemalige VW-Werker Erwin Frey an seine Arbeit im Presswerk in den 50er Jahren, wo Hydraulikhämmer mit der Wucht von mehreren Tonnen Blechteile für den Käfer formten, das Wirtschaftswunderauto.

Dabei veranstalteten die Maschinen einen Lärm, "dass die Erde zitterte". Der Schlosser Frey ist einer der 50 Zeitzeugen, die das Bonner Haus der Geschichte in seiner ab Mittwoch öffentlichen Ausstellung "Hauptsache Arbeit" zu Wort kommen lässt.

Mit rund 600 Exponaten, darunter ein feuerroter Porsche-Traktor, dokumentieren die Ausstellungsmacher den "Wandel der Arbeitswelt nach 1945".

Der Titel ist gewollt doppeldeutig. "Arbeit bestimmt direkt und indirekt den Großteil unseres Lebens", erläutert Hans Walter Hütter, Präsident der Stiftung Haus der Geschichte. Materielle Basis, Selbstbestätigung, persönliche Prägung, all das bedeute Arbeit.

Deshalb ist "Hauptsache Arbeit" auch als Stoßseufzer all jener zu verstehen, die Ärger mit dem Chef oder mit Mühe und Not eine neue Stelle ergattert haben.

Auch das Thema Arbeitslosigkeit steht für die tiefgreifenden Änderungen der Arbeitswelt: in den 60er Jahren herrschte Vollbeschäftigung, die heute allgegenwärtige Sorge um den Arbeitsplatz war unbekannt.

Eine gute Tradition im Haus der Geschichte: Die Ausstellung setzt alle Mittel moderner Museumsgestaltung ein. Zum Beispiel müssen Besucher, die etwas über den Niedriglohnsektor erfahren wollen oder die Arbeit in der Automontage, selbst Arbeit aufwenden.

Die entsprechenden Filme laufen nur weiter, solange der Neugierige auf dem vor dem Bildschirm stehenden Heimtrainer strampelt. Zu den Exponaten gehört eine massive Schweißzange aus dem VW-Werk mit dazugehöriger schwerer Lederschürze und Lederhemd, die die Schweißer vor Funkenflug schützen sollten.

Heute erledigen Automaten diese Arbeit. Auch unscheinbare Stücke erzählen eine Geschichte vom rasanten Wandel. Etwa ein Stempel mit der Aufschrift "On-line erfasst", Leihgabe der Sparkasse KölnBonn, der das Ende von Sparbucheinträgen und abgestempelten Formularen im Bankgewerbe und den Anbruch des Computerzeitalters symbolisiert.

Einen gleichberechtigten Blick wirft die Ausstellung auf die Arbeitswelt der DDR. Trotz aller Systemunterschiede und ideologischen Parolen - die Inbetriebnahme des Hochofens Eisenhüttenkombinat Ost wird auf einem Plakat als "entscheidender Sieg der Arbeiterklasse" gefeiert - ziehen die Ausstellungsmacher nach Gesprächen mit vielen Zeitzeugen das Fazit:

Für West- und Ostdeutsche hat ihre Arbeit einen ähnlich hohen Stellenwert. Am Ende ist wieder der Besucher gefragt: Mit 109 Buchstaben kann er den Satz: "Arbeit ist für mich ..." vervollständigen. Die Antworten sollen gesammelt und mit denen verglichen werden, die die Besucher geben, wenn die Ausstellung in Leipzig gezeigt wird.

Haus der Geschichte, Dienstag bis Sonntag, 9 bis 19 Uhr; bis 5. April 2010. Eintritt frei.

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