Al Pacino wird 75 Hamlet und die Mafia

Der Mann aus Manhattan liebt das Theater - und hat auf der Leinwand eine Reise auf Shakespeares Spuren absolviert. Gemeint ist "Der Pate" von Francis Ford Coppola, die zwischen 1972 und 1990 gedrehte Trilogie, in der Al Pacino als Michael Corleone eine der ganz großen Leistungen des amerikanischen Kinos vollbringt.

 Den Oscar bekam er für "Der Duft der Frauen": Al Pacino, aufgenommen 2014.

Den Oscar bekam er für "Der Duft der Frauen": Al Pacino, aufgenommen 2014.

Foto: dpa

Als Hamlet in die Machtränke der Mafia-Familie hineingeworfen, später fast so unbarmherzig wie Richard III., am Ende einsam wie King Lear. Pacino zeichnet diese Lebenskurve so fein, als sei er immun gegen alle opernhafte Opulenz des Corleone-Epos.

Wie der eigentlich zu legalen Geschäften ausersehene Sprössling des großen Don Vito in die blutigen Niederungen des Clans rutscht, wie Rachsucht und Paranoia schließlich alles vergiften, was er liebt - das spielt sich in mimischer Minimalpräzision ab. Wenn ihm seine Schwester Connie den Mord an ihrem Mann vorwirft und Michael die Tat gegenüber seiner Frau (Diane Keaton) kaltblütig leugnet, sieht man beides: seine Härte und den Preis, den er dafür bezahlt. Eine Charakterimplosion in Zeitlupe.

Diese Kunst, Gemütsbewegungen hinter einer fast unbewegten Oberfläche zu verbergen, war der Oscar-Academy nur Nominierungen, aber keine Siege wert. Und vielleicht wurde Pacino deshalb im Lauf der Jahre oft vom introvertierten zum pompös auftrumpfenden Schauspieler. Man nehme nur seinen Detective Vincent Hannah in Michael Manns "Heat", der im Duell mit dem Gangster Robert De Niro jede Geste zwei Nuancen zu dick aufträgt.

Den Oscar bekam er übrigens nach sieben Anläufen doch noch: als blinder Militärveteran in der am Rand der Lächerlichkeit Tango tanzende Tragik-Romanze "Der Duft der Frauen".

Pacino wuchs als Sohn früh geschiedener italienischer Einwanderer bei den Großeltern in der Bronx auf und hatte seine besten Parts in Krimis wie William Friedkins "Cruising" oder Gangsterfilmen. Sein gegen Polizeikorruption ermittelnder Cop in Sidney Lumets "Serpico" war ein seltsam depressiver Hippie, während er in "Hundstage" den überdrehten Bankräuber in einer explosiven Mischung aus Angst, Größenwahn und Kleine-Leute-Pathos verkörperte.

Mit "Bobby Deerfield" (1977), dem Krisen-Psychogramm eines Rennfahrers, wurde Pacino fast zur triefäugigen Traurigkeitsikone. Doch Brian De Palma kannte das Gegengift: "Scarface" rollte dem Star den blutroten Teppich für eine Tour de Force aus, und sein Mega-Gangster Tony Montana ist in Gewaltexzessen und zügelloser Lebensgier ein monströses Prachtexemplar.

Längere Filmpausen in den 80ern ließen den Pacino-Kult noch weiter wachsen, und "Sea of Love" war 1989 zumindest ein stilvolles Comeback. Zumal der Hauptdarsteller als waidwunder Cop nie recht wusste, ob er die unwiderstehliche Ellen Barkin denn nun lieben oder verdächtigen soll.

Seine bislang letzte Glanzleistung vollbrachte der Mime 2002 als schlafloser, zwielichtiger Ermittler in Christopher Nolans "Insomnia" - ein Mann, allein mit seinen Dämonen. Zwischendurch spielte er viel Theater, war im Kino der Shylock im "Kaufmann von Venedig" und drehte einen Film über Shakespeares "Richard III." ("Al Pacino's Looking for Richard").

Und in Barry Levinsons "The Humbling" nach Philip Roths Roman (deutsch: "Die Demütigung") ist er ein lebensmüder Schauspieler, der seinen Akku ausgerechnet in der Affäre mit einer jungen Lesbe aufladen will. Man sieht: Glückliche Menschen hat Al Pacino, der heute 75 Jahre alt wird, selten gespielt.

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