Gregor Schneider Halle Kalk in Köln in ein sanitäres Labyrinth verwandelt

KÖLN · Vor engen, dunklen Gängen und unvermittelt auftretenden, sehr hellen Räumen wird gewarnt. Man verliere auch leicht die Orientierung, heißt es. Für eine klaustrophobe Natur wie mich vielleicht nicht der richtige Kunst- und Theatergenuss, meinte ein Kollege. Gregor Schneiders Welt kann gruselig sein.

 Im Bad mit Gregor Schneider: Der Künstler in einer der Nasszellen in der Halle Kalk.

Im Bad mit Gregor Schneider: Der Künstler in einer der Nasszellen in der Halle Kalk.

Foto: Schneider

Der Mann, der sein offenbar stark befrachtetes Elternhaus in Mönchengladbach-Rheydt zur obsessiven Kunstidee machte, dessen miefige Räume, gedoppelt, geklont an einigen Stellen der Welt gezeigt hat, ist immer für Überraschungen gut. Auch in der Kölner Halle Kalk, wo er sein neues Projekt "Neuerburgrstraße 21" realisiert hat.

Vor dieser Nummer steht ein Grüppchen Mutiger an. Sechs Personen pro halbe Stunde werden in Abständen von fünf Minuten eingelassen. Man soll sich nicht begegnen. Eine letzte Warnung: Bitte die Notausgänge nur benutzen, wenn's einem wirklich schlecht geht.

Wird damit gerechnet? Gibt es schlimme Überraschungen aus Schneiders Gruselkabinett? Man will in der Tat nicht plötzlich mit einem schummrigen Schlafzimmer aus dem "Haus u r" konfrontiert werden, mit dem ekligen Wasserloch aus dem Keller im Deutschen Pavillon der Biennale in Venedig, auch auf die in der Ecke liegende Hannelore Reuen, die Schneider despektierlich "alte Hausschlampe" nennt, oder das Kind mit dem schwarzen Müllsack auf dem Kopf kann ich dankend verzichten.

Es geht los. Mein Parcours beginnt. Ich solle im stockfinsteren Gang der weißen Linie folgen. Ein Scherz. Der Gang macht einen Knick, ängstliches Tasten an der Stoffwand. Da: eine Tür. Ein Badezimmer mit einer Duschkabine, in der es penetrant tropft.

Das Milchglas lässt sich nicht öffnen. Vielleicht besser so. Vielleicht liegt Hannelore Reuen darin. Das Waschbecken ist abgeschraubt worden, die Anschlüsse für die Waschmaschine ragen nutzlos aus der Wand. Ein Spiegel ist da. Ansonsten durchschnittliche bundesrepublikanische Bäder-Ödnis. Ton in Ton. Immerhin: Das Bad hat zwei Türen. Die erste ist zugefallen, hat keine Klinke, es gibt kein Zurück. Die zweite führt in einen schwarzen Gang. Tasten ist angesagt. Wieder eine Tür und ein Bad, das dem ersten wie ein Ei dem anderen gleicht. Es tropft auch genauso. Tür auf, in den schwarzen Gang und ins nächste Bad. Ein identisches Modell.

Die Orientierung ist jetzt schon dahin. Ich versuche, mir einzelne Details einzuprägen und mit den nächsten Klonen zu vergleichen: Hier eine verräterische Dreckspur, dort ein unsauberer Tapetenanschluss. Soll ich eine Markierung hinterlassen, um zu testen, ob ich nicht immer ins gleiche Bad laufe? Wieder ein Gang, wieder eine Tür, wieder ein Bad. Da liegt ein Schnipsel. Hat der Kollege vor mir etwas markiert? Einsamkeit macht sich breit. Ich lausche dem Echo meines Summens, suche die Wand nach Insekten ab, die mit mir die Gefangenschaft teilen. War das Licht nicht gerade heller, das Brummen der Lampe lauter? Schneider hat mich.

Wieder eine Tür, ein schwarzer Gang, das nächste Bad. Plötzlich reißt jemand die Tür auf. Ein Mensch! Die nette Kollegin Claudia Dichter vom Hörfunk. "Wir haben wohl einen unterschiedlichen Rhythmus", meint sie. Ich denke: "So ist das im Bad, der eine braucht kürzer, der andere länger." Man verabschiedet sich. Es war das 18. oder 19. Bad. Ich beeile mich etwas, sie hält Abstand.

Wieder Stille, wieder ein schwarzer Gang, eine Tür, das gleiche Bad. Diesmal ohne Kollegin, die mir noch ein "Und täglich grüßt das Murmeltier" mit auf den Weg gegeben hatte. Wären nicht die unterschiedlich langen Laufwege zwischen den Bädern, man würde meinen, in der Endlosschleife zu stecken.

Ich gewöhne mich an das Spiel von Hell und Dunkel, ruckele aber immer noch an der Milchglaswand, obwohl ich auf eine Begegnung mit Hannelore nicht scharf bin. Langsam fühle ich mich fast wohl in diesem sanitären Labyrinth, jede Fliese, jeder Schalter ist mir vertraut. Schneiders Welt ist auch meine. Dann: Die letzte Tür, die ins Freie führt, in eine plötzlich fremde, ungeordnete, unvertraute Welt.

Halle Kalk, bis 6. Juli und 23. August bis 7. September. Tickets mit Zeitfenster: (0211)/22128400

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort