Beethoven Competition Halbfinalisten plaudern ganz entspannt über ihr Leben

BONN · Mein bester Freund Ludwig - so oder so ähnlich lässt sich derzeit die Gemütslage von zumindest vier der sechs Halbfinalisten der Beethoven-Competition in Bonn charakterisieren.

In den vergangenen Monaten haben sie sich nämlich mit nicht viel anderem beschäftigt als mit Beethoven-Sonaten, Beethoven-Klavierkonzerten und ihrer Haltung zum Werk des Künstlers überhaupt. Dennoch haben sie sich gestern trotz des Übungsstress die Zeit genommen, am Rande des Wettbewerbs Einblicke in ihr Leben abseits der Bühne zu geben.

Und die fallen durchaus unterschiedlich aus. Was sie aber alle eint: eine leidenschaftliche Weltoffenheit und Hingabe zur Musik, ohne die eine Halbfinal-Teilnahme an diesem renommierten wie auch für die Nachwuchskünstler bedeutenden Wettbewerb gar nicht möglich wäre.

Die Südkoreanerin Ann wirkt, wie ihr Vorname klingt: Soo-Jung. Die 26-Jährige gibt sich, typisch asiatisch, zurückhaltend. Derzeit studiert sie in Salzburg, ihre Heimat ist weit weg. "Viel zu weit", sagt sie. Ihr fehlt die Familie, täglich telefoniert sie mit ihr. Mehr als zweimal im Jahr ist die Heimreise aber nicht drin. In Salzburg ist selbst ihr Privatleben in die Musik eingebettet. "Viele meiner Freunde sind Musiker. Wenn wir uns treffen, diskutieren wir über oder machen Musik."

Immerhin: kürzlich war sie auf dem Weihnachtsmarkt, erzählt sie mit leuchtenden Augen. Den Wettbewerb in Bonn geht sie positiv an, macht sich nicht viel Druck. "Die Jury guckt schon sehr genau hin, aber für mich fühlt es sich an wie ein Konzert", sagt Soo-Jung Ann.

Shinnosuke Inugai lebt seit fünf Jahren in Frankfurt und ist von seinem Wesen her so ziemlich genau das Gegenteil von Soo-Jung Ann. Der Japaner trägt seine Fröhlichkeit nach außen und lacht ständig lauthals los. Meistens wenn er einen deutschen Satz gesprochen hat. Wahrscheinlich freut es ihn, dass sein Gegenüber ihm so gut folgen kann. Bei seinem Besuch in Bonn ist ihm der Hauptbahnhof bisher in bleibender Erinnerung geblieben - für mehr war schlichtweg keine Zeit. Doch eins hat er schon festgestellt: "Bonn ist schöner als Frankfurt." Dann lacht er wieder.

Der 31-Jährige fühlt sich Beethoven in Deutschland "ganz nah", wie er sagt. Auf der Bühne macht er sein Ding, lässt sich nicht beirren. Es wundert nicht, wenn er sagt: "Mehr als sechs Stunden am Tag kann ich nicht üben. Dann brauche ich Entspannung." Die besteht dann aus Jazz und vor allem japanischem Pop, nicht aber aus deutschem Sushi. "In Japan ist das besser und billiger", sagt er. Doch auch er teilt das Schicksal von Soo-Jung Ann: Nach Hause geht es viel zu selten.

Besser hat es da Stefan Cassomenos. Der höfliche Australier mit Wuschelkopf und griechischen Wurzeln lebt im heimischen Melbourne. Er fühlt sich aber auch in Bonn sichtlich wohl. Allerdings verspürt Cassomenos großen Druck vor seinen Auftritten. Im Gegensatz zu seinen Mitstreitern, die sich zwar alle sehr gut verstehen untereinander, aber dennoch Konkurrenten sind.

"Es ist schwer, die Jury auszublenden", sagt Cassomenos. "Und wenn dann mal etwas schief läuft, fange ich an zu zweifeln." Musik ist eben auch Kopfsache. Sein größtes Problem bei Wettbewerben ist aber, seinen Tag zu gestalten, wenn er erst abends spielt. "Übe ich den ganzen Tag? Übe ich gar nicht mehr? Egal was man macht, nachher denkt man sich, es hätte anders laufen müssen."

Nicolas Namoradze tickt da ganz anders. Er ist der Intellektuelle unter den Vieren. Als Kind Fan von AC/DC, aufgewachsen und studiert in Florenz, Budapest und Wien, lebt der eloquente 21-jährige seit September in New York. Seitdem hat er sich auch auf den Wettbewerb in Bonn vorbereitet.

"Ich sehe das hier als fantastische Möglichkeit, neue Stücke zu lernen", sagt er. Zuhause eingesperrt hat er sich aber nicht - ganz im gegenteil: "In New York ist es unmöglich zu Hause zu bleiben. Jeden Abend ist Party." Namoradze hat seinen Platz scheinbar schon gefunden in der Welt. "New York hat so viel Energie, ich brauche das Tempo dieser Stadt. Ich fühle mich einfach wunderbar und zu Hause." Egal, wer den Wettbewerb in Bonn am Ende gewinnt: Anstoßen werden sie wohl alle gemeinsam - auf ihren Freund Ludwig.

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