Auftritt in der Bonner Oper Hagen Rether: Witzig, aber auch anstrengend

Bonn · Hagen Rether hat in der Bonner Oper sein neues Programm vorgestellt. Unsere Autorin findet: Das ist witzig, aber auch anstrengend.

 Rundumschlag: Hagen Rether teilt ausdauernd aus.

Rundumschlag: Hagen Rether teilt ausdauernd aus.

Foto: picture alliance / dpa

Muss ja doch was dran sein an der veganen Ernährung, wenn einer ihrer glühendsten Verfechter dreieinhalb Stunden ohne Ermüdungserscheinungen monologisieren kann, während ein Teil seines fleischfressenden Publikums in der Pause die Segel streicht. Veganer Hagen Rether ist bekannt für sein wirklich den ganzen Abend füllendes Programm „Liebe“, und den Titel der Veranstaltungsreihe, „Quatsch keine Oper!“, hat er sich nicht wirklich zu Herzen genommen. So sitzt er also auf seinem Bürodrehstuhl neben dem Flügel, der leider bis kurz vor Schluss nur stummes Requisit bleibt, und teilt ausdauernd aus.

Flüsternd, um sich und seinen Fans noch ein wenig Ruhe zu gönnen, beginnt er mit der Arbeitsprämisse: „Wir sind doof.“ Weil wir Fleisch essen, die Erde kaputtmachen, Mülltonnen mit Vorhängeschlössern sichern, saufen und die Leitkultur nur deshalb als Exoskelett brauchen, weil wir kein Rückgrat mehr haben. Rethers Rundumschlag gegen Politik, Kapitalismus, Umweltzerstörung, Rüstungsindustrie, sexuelle Ausbeutung und Islamfeindlichkeit ist gründlich, glänzend formuliert, voller origineller Einsichten und Querverbindungen. Gelegentlich ist er auch gnadenlos witzig.

Doch hier liegt das Problem: Über weite Strecken prangert der Moralist mit vollem Ernst alles an, was nicht gut ist auf der Welt, zwischendurch serviert er auch mal ein kleines Häppchen Satire. Das passt nicht wirklich gut zusammen, und wer von Rethers schöner, tiefer Stimme schon ein wenig eingelullt ist, könnte hier leicht etwas verwechseln. Der blasiert-gelangweilte, manchmal mild echauffierte Sprachduktus kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier ein Prediger am Werk ist, der die Welt verbessern will. Indem er jedem einzelnen den Spiegel vorhält und die Hornhaut auf der Seele mit leitmotivisch wiederkehrenden Anklageformeln wie „gruselig“, „das geht nicht“ und „das juckt uns nicht“ aufzuweichen versucht.

Das ist aller Ehren wert. Aber auch sehr anstrengend.

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