Händels "Tamerlano" in Bonn

Der Sultan stirbt, und keiner schaut hin. In Philipp Himmelmanns Bonner Inszenierung von Georg Friedrich Händels Oper "Tamerlano" hatte man schon zu Beginn ahnen können, dass es am Ende so kommen würde.

Bonn. Der Sultan stirbt, und keiner schaut hin. In Philipp Himmelmanns Bonner Inszenierung von Georg Friedrich Händels Oper "Tamerlano" hatte man schon zu Beginn ahnen können, dass es am Ende so kommen würde.

Denn die fünf Menschen auf der Bühne, deren Schicksalswege ganz eng miteinander verwoben sind, scheinen einander nicht wirklich wahrzunehmen. Ihr Blick ist stier nach vorn gerichtet.

Man könnte das damit erklären, dass die Regie die Wiedergeburt des barocken Rampengesangs im Zeitalter des Regietheaters feiert. Aber das ist natürlich nicht das Motiv.

Tickets Karten im GA-Ticket-ShopHimmelmann will in der vierten Arbeit für die Bühne seiner Heimatstadt schon etwas damit aussagen, wenn zwei Liebende sich weder berühren noch in die Augen sehen, während ihre Stimmen in perfekter Harmonie sich aneinanderschmiegen. Die Liebenden bleiben jeder zurückgeworfen auf sich selbst: Der Mensch ist hier fensterlose Monade, oder - etwas moderner ausgedrückt - ein Autist. Das Konzept wirkt freilich arg austauschbar und könnte auf viele Barockopern mit ihren hermetischen Dacapo-Arien Anwendung finden.

Das Sujet der ungewöhnlich düsteren Händel-Oper verspricht auf den ersten Blick mehr Emotionen und Dramatik. Schurkische Qualitäten, die Handlung in Fahrt zu bringen, bringt der Titelheld jedenfalls genügend mit. Der Tartarenherrscher nämlich will Asteria, die Tochter des türkischen Sultans Bayazet, den er gefangen hält, zur Frau. Im Weg steht ihm seine Verlobte Irene, die er an den Griechenprinzen Andronico weiterreicht. Dumm nur, dass der junge Grieche ebenfalls Asteria liebt.

Projektionsfläche für die Konflikte, die in der Oper schließlich in dem Freitod des Sultans (und in der Bonner Inszenierung dieser Oper in dem daraufhin erfolgenden Suizid seiner Tochter) kulminieren, ist Johannes Leiackers Bühne, die so unterkühlt wirkt wie die Figuren, die auf ihr agieren. Der Palast des Tartarenfürsten wird als überdimensionaler Reißbrettentwurf sichtbar, der durch ein abstrakt-geometrisches Würfelmuster ergänz wird. Farbe findet sich weder hier noch in Katherina Kopps Kostümen, einzig die Haut der nicht verdeckten Körperteile und das Blut der sterbenden Asteria durchbrechen die bedrückende Schwarz-Weiß-Tristesse.

Asteria ist in der Inszenierung die einzige Figur, der Himmelmann so etwas wie eine Entwicklung zugesteht. Auf sie richtet sich der Fokus. Ihr gehören der Anfang und das Ende. Und die Sopranistin Emiliya Ivanova ist sozusagen die in Weiß gekleidete Lichtgestalt, die das eindrucksvoll vorführt, gesanglich mit wunderbarem Sopran und schauspielerisch mit berührender Präsenz. Mirko Roschkowski ist für die Tenorpartie des Bajazet großartig besetzt:

Die lange Sterbeszene wird zu einem ergreifenden Höhepunkt. Die Mezzosopranistin Mariselle Martinez meistert die Hosenrolle des Tamerlano technisch makellos und mit hinreißender Bravour. Die Partie des Andronico findet in dem Countertenor Antonio Giovannini einen virtuosen Interpreten. Und als Irene überzeugt Susanne Blattert mit ebenso stilsicherem wie einnehmendem Gesang.

Händels Werke sind für die Musiker des Beethoven Orchesters längst vertrautes Terrain. Sie produzieren unter der Leitung von Rubén Dubrovsky einen zupackenden, akzentuierten und zugleich flexiblen Barockklang. Für die Musik wie für die Regie gab es einhelligen Beifall.

Die nächsten Termine: 20., 27. und 31. März.

Auf einen Blick##ULIST##

Die Oper: "Tamerlano" ist eine ungewöhnlich düstere Oper Händels

  • Die Inszenierung: Eine Kopfgeburt: Jeder handelt hier als Autist
  • Die Musik: Solisten und Orchester geben eine großartige Vorstellung
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